Riad – Die historische Wüstenkulisse von Riad ist für die Formel E ein seltsamer Ort für einen Neuanfang. Der Zehnjahresvertrag für das Rennen im erzkonservativen Königreich Saudi-Arabien bringt die vollelektrische Rennserie zum Auftakt ihrer fünften Saison unter Erklärungsdruck.
«Saudi-Arabien entwickelt sich in die richtige Richtung und macht gute Fortschritte. Das ist es, was uns angezogen hat», beteuert Formel-E-Geschäftsführer Alejandro Agag vor dem ersten Auftritt des Elektro-Spektakels im Nahen Osten.
Die aktuelle Rolle Saudi-Arabiens auf der Weltbühne lässt den angeblich 260 Millionen Dollar schweren Deal jedoch in einem zweifelhaften Licht erscheinen. Das Land steht international vor allem wegen seiner Rolle im Jemen-Krieg und gravierenden Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Zuletzt sorgte die Ermordung des kritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul für Empörung.
Vermarkter Agag indes beharrt darauf, dass Saudi-Arabien «das neue Zuhause der Formel E» sei. Riad will mit dem Rennen in seiner «Altstadt» ein modernes Bild des Landes zeichnen. Das Gastspiel vor der Kulisse der Weltkulturerbestätte Al-Dirija ist Teil der «Vision 2030». Der ambitionierte Entwicklungsplan soll das Königreich moderner gestalten und wirtschaftlich unabhängiger vom Öl machen.
Seit der Vorstellung des Plans im April 2016 hat sich Saudi-Arabien deutlich geöffnet. Im Sommer wurde das Fahrverbot für Frauen aufgehoben, Kinos durften nach mehr als 35 Jahren wieder eröffnen, Frauen wurde erstmals der Besuch von Fußballspielen im Stadion gestattet. Für den Saisonauftakt der Formel E lockerte das Königreich auch seine restriktiven Visa-Bestimmungen für ausländische Besucher. Die Veranstalter erwarten laut lokalen Medien 40 000 Besucher. Das Rennen wäre so eines der größten sportlichen Ereignisse des Landes.
«Dieses einmalige Ereignis hat das Potenzial, das Leben und die Wahrnehmung zu verändern, sowohl in Bezug auf den Sport als auch auf Saudi-Arabien», wirbt der Präsident des saudi-arabischen Motorsport-Verbandes, Chalid bin Sultan Al Faisal Al Saud. Deshalb haben die Organisatoren auch Musikstars wie Enrique Iglesias, David Guetta und die Black Eyed Peas für Auftritte am Streckenrand gewonnen – auch das ein Novum für das Königreich, in dem es noch bis vor kurzem kaum öffentliche Konzerte gab.
Ein gewisses Unbehagen wegen des umstrittenen Auftakt-Gastgebers bleibt jedoch im Fahrerlager der Formel E. «Wir haben uns in die Formel E eingeschrieben. Dass sich die Lage in Saudi-Arabien in eine bestimmte Richtung entwickelt, das wussten wir damals nicht», sagt Ulrich Fritz, Teamchef von Neueinsteiger HWA Racelab aus dem schwäbischen Affalterbach. «Im Großen und Ganzen machen wir Sport und dabei sollte es auch bleiben», fügt Fritz hinzu.
In Riad beginnt für die Elektro-Serie eine Reise über fünf Kontinente. Bei 13 Rennen in zwölf Metropolen will die Formel E den nächsten Schritt ihrer Entwicklung machen. Mit der neuen Fahrzeug-Generation entfällt der bislang notwendige Autowechsel während der Rennen. Unter den 22 Piloten sind vier Deutsche: Daniel Abt aus Kempten, André Lotterer aus Duisburg sowie die Neulinge Maximilian Günther (Rettenberg) und Pascal Wehrlein (Worndorf).
Titelverteidiger ist Jean-Eric Vergne. Der Franzose blickt ebenso auf eine Formel-1-Vergangenheit zurück wie die Neuzugänge Felipe Massa und der bei McLaren ausgemusterte Stoffel Vandoorne.
Durch die neuen Werksteams von BMW und Nissan dürfte die Konkurrenz noch enger werden. Neueinsteiger HWA Racelab fährt zunächst noch mit Venturi-Motoren, ehe es in der nächsten Saison zum Mercedes-Werksteam wird. Das deutsche Rennen der Formel E wird am 25. Mai 2019 erneut in Berlin gefahren.
(dpa)