Berlin – Lange Ladezeiten, hohe Preise und mangelnde Reichweite gelten als die wichtigsten Verkaufshemmnisse bei Elektroautos. Auch das Wirrwarr beim elektrischen Tanken ist ein Hemmschuh. Denn das Aufladen dauert im Vergleich zum herkömmlichen Betanken nicht nur lange. Es ist auch weit komplizierter.
Für Verbraucher unverständliches Tarifsystem
Im erschwerten Zugang zu Ladesäulen sieht zum Beispiel der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) einen Grund für die «enttäuschenden Verkaufszahlen»: Verbraucher sähen sich an öffentlichen Ladesäulen einem unverständlichen Tarifsystem und einer Vielzahl an Zahlungsmethoden gegenüber.
Aber der Dschungel lichtet sich – wenn auch nur langsam. Öffentliche Ladesäulen, die seit Mitte Dezember 2017 in Betrieb gegangen sind, müssen laut
Ladesäulenverordnung ohne Registrierung nutzbar sein.
Nur: Das gilt für die vielen Tausende zuvor installierten Ladesäulen nicht. Auch müssen die Säulen seit April 2019 einen Preis pro Kilowattstunde (kWh) nennen, aber auch das sei noch nicht flächendeckend umgesetzt, kritisiert die Stiftung Warentest in ihrer Zeitschrift «Finanztest».
Allein die Zahl von 123 Autostromtarifen, die die Marktforscher von EuPD Research im Frühjahr 2019 untersucht haben, zeigt: Übersichtlich ist das Ganze nicht. Mal wird nach Ladezeit abgerechnet, mal nach Kilowattstunde (kWh). Es gibt Flatrates oder Modelle mit Grundgebühr. Abgerechnet wird per Kreditkarte oder Lastschrift, per Paypal, Sofortüberweisung oder Paydirect. Zudem ist an vielen Säulen spontanes Laden unmöglich, es werden Ladekarten oder Token benötigt, die man erst nach vorheriger Registrierung erhält – per Post.
An der Tankstelle zu Hause laden
Vorteil beim E-Auto: Man kann sich zu Hause seine eigene Tankstelle errichten. Denn zum Kauf des Autos bieten viele Hersteller ihren Kunden gleich eine Wallbox an. So lädt das Auto in der heimischen Garage. Kosten: zwischen rund 500 und mehreren Tausend Euro.
Doch Schätzungen zufolge findet jede dritte Ladung unterwegs an einer öffentlichen Ladesäule statt. Wie die EuPD-Untersuchung zeigt, liegt der kWh-Preis meist um einiges höher als der normale Haushaltsstrom, der derzeit rund 30 Cent je Kilowattstunde kostet.
Doch welcher Anbieter lohnt sich für wen? Wer in einem begrenzten Radius bleibt und fast nie längere Strecken fährt, sollte sich nach lokalen Tarifen örtlicher Stromanbieter umschauen. Vielfahrer, die in der ganzen Republik unterwegs sind, könnten sich Flatrate-Angebote ansehen. Teils gibt es Angebote für 25 Euro im Monat.
Roaming gibt es nicht nur beim Handy
Um möglichst viele Ladepunkte nutzen zu können, kann das Roaming lohnen. Wie beim Telefonieren mit dem Handy steht es für die anbieterübergreifende Nutzung der Infrastruktur. Die Angebote «ermöglichen in der Regel deutschlandweites Laden», so der ADAC.
Es genügt meist eine Ladekarte, um Zugang zu Ladepunkten in einem Verbund zu erhalten – oft auch im Ausland. Große Anbieter sind NewMotion und Plugsurfing, die europaweit jeweils über 100 000 Ladepunkte bieten. Doch ist die Preisstruktur so unübersichtlich wie die Zahl der einzelnen Partner. Immerhin wird zentral über eine App abgewickelt. Ein Verbund von Stadtwerken ist
Ladenetz.
Zusammen mit dem Energieversorger EnBW bietet auch der ADAC einen Roaming-Tarif an. Er liegt bei 29 Cent/kWh fürs Normalladen, 39 Cent fürs Schnellladen. Zugang zur Säule erhält der Kunde per App oder Ladekarte – allerdings nur, wenn er ADAC-Mitglied ist. Verfügbar sind ein Großteil der der 28 000 öffentlichen Ladestationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Im Roaming-Geschäft mischt ebenfalls die Telekom mit. Der Konzern verspricht Zugriff auf europaweit 20 000 Ladepunkte. Bei Partnern wie Allego, Aral, Bosch, ChargeCloud, Innogy oder Ionity zahlt der Kunde fürs AC-Laden 29 Cent pro kWh und 39 Cent fürs Schnellladen per Gleichstrom (DC). Teilweise werden aber auch 89 Cent fällig.
Immerhin wird das Stromtanken an immer mehr Ladepunkten in kürzerer Zeit möglich: Während vor allem an Autobahnraststätten schon viele Schnellladesäulen errichtet wurden, treibt der Verbund Ionity derzeit den Ausbau seines Netz von Ladepunkten neuester Generation mit bis zu 350 kW Ladeleistung voran. Einmal bis auf 80 Prozent laden dauert je nach Akku an so einer High Power Charging-Ladesäule (HPC) nur noch 15 Minuten. Das wäre dann wirklich die oft zitierte Kaffeepause.
(dpa/tmn)