Singapur – Vor der Glitzer-Kulisse von Singapur durften die Formel-1-Teams weiter eifrig rätseln. Erstmals nach der Übernahme durch das Unternehmen Liberty Media kamen die Rennställe im Fahrerlager des Stadtstaates wieder zusammen. Doch konkrete Pläne der US-Amerikaner liegen noch nicht vor.
TV-Rechte, Digital-Strategie, US-Markt, Investoren-Modell – all diese Geschäftsfelder werden von Liberty Media indes genauestens geprüft werden.
Im Fahrerlager gab es immerhin die erste Annäherung zwischen dem neuen Besitzer und den Teams. An der Seite von Geschäftsführer Bernie Ecclestone und Mitgründer Donald Mackenzie vom bisherigen Hauptanteilseigners CVC machte der neue Formel-1-Vorstandschef Chase Carey seine Aufwartung. Nur wann wird der Reformprozess eingeleitet?
«Er ist am Sport interessiert», meinte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff nach einem Plausch. Die erste Sache, die Carey zu ihm gesagt habe, war, anfangs mehr Fragen stellen zu wollen. «Das ist für mich der richtige Ansatz», sagte Wolff weiter und lobte den Geschäftssinn des künftigen starken Formel-1-Chefs.
«Wenn man etwas kauft, ist es normalerweise doch so, dass man zuhört, lernt, teilt und handelt. Ich denke, dass all diese Phasen nun auch eintreten», hatte Sebastian Vettels Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene auf der turnusmäßigen Pressekonferenz der Rennleiter am Freitag noch vor dem Besuch erklärt.
Wünsche äußerten die Teamchefs schon mal, was eine Reform der Formel 1 bringen solle. «Mehr Geld für die Rennställe, niedrigere Preise und eine bessere Verteilung des Geldes an alle. Das wird aber so bald wohl nicht passieren», sagte Vettels ehemaliger Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Gerade eine gleichmäßige Gewinnausschüttung ist für Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn unabdingbar. «Es ist höchste Zeit, dass sich etwas am System ändert», insistierte sie.
Ecclestone ist quasi das System. Und der Formel-1-Zampano blickt seiner weiteren Zukunft als Geschäftsführer der Serie mit riesiger Gelassenheit entgegen. «Gott sei Dank, brauche ich das Geld nicht, ich brauche keinen Job», versicherte der 85-Jährige in einem Interview des TV-Senders Sky. «Und wenn zufällig die Dinge in eine Richtung laufen, die ich nicht für richtig halte, da kann ich aber auch falsch liegen, dann werde ich bestimmt verschwinden.»
Liberty Media will Ecclestone noch drei Jahre den Übergang moderieren lassen. Auf die Frage, ob er mit dem neuen Formel-1-Vorstandsboss Carey zusammenarbeiten müsse, antwortete der Brite gewohnt lapidar: «Das einzige, was ich tun muss, ist sterben und meine Steuern bezahlen. Abgesehen davon muss ich gar nichts machen.»
Das Unternehmen von TV-Tycoon John Malone wird sicher stärker auf digitale Medien setzen, einen Bereich, den der 85-jährige Ecclestone stets links liegen ließ und damit das Potenzial junger Fans ignorierte. Zudem dürfte der neue Besitzer versuchen, die Erlöse mit den Formel-1-Bewegtbildern zu steigern. Von Seiten der Rennveranstalter, die unter Ecclestones Preisschraube immer stärker ächzen, sind keine Steigerungsraten mehr drin.
Einer möglichen Teilhabe der Rennställe an der Serie sind die Teams aufgeschlossen. «Ohne die Teams gibt es keine Formel 1. Deshalb würde eine Minderheitsbeteiligung Sinn ergeben», sagte Horner. Liberty Media hat zwar auch hier noch keine Details bekanntgegeben, doch die Rennställe sollen künftig eben Anteile kaufen können.
Das ramponierte Hochglanzprodukt Formel 1 ist zumindest aus Sicht der Teamchefs bereit für einen Zeitenwandel. «Die Welt verändert sich und manchmal ist es gut, wenn man frischen Wind reinbringt», erklärte Mercedes-Pilot Nico Rosberg, der sich wie so viele Fahrer wünscht, dass der neue Besitzer stärker auf eine junge Fan-Basis setzt.
«Man muss wahrscheinlich nicht das Rad neu erfinden, weil der Sport zu den ganz wenigen weltweit erfolgreichen gehört», sagte Wolff, «vielleicht kann uns Liberty Media aber dabei helfen, neue Einnahmequellen anzuzapfen.»
Tiefgreifende Veränderungen werden kurzfristig nicht möglich sein. Ecclestone soll noch drei Jahre im Amt bleiben, zudem gibt es bestehende Verträge. Dazu gehört das «Concorde Agreement». Dieser Grundlagenvertrag regelt die Verteilung der Vermarktungseinnahmen, die Anzahl der teilnehmenden Teams und die Zuständigkeiten für das Regelwerk. Das Abkommen zwischen den Rennställen, dem Weltverband FIA und dem Vermarkter FOM gilt noch bis 2020. Richtungweisende Reformen lassen sich also erst mittelfristig umsetzen.
(dpa)