VW-Tochter Moia soll neue Ära einläuten

Hannover – Taxi? Gerade keines zu sehen, außerdem recht teuer. U-Bahn oder Bus? Zu umständlich. Eigenes Auto? Keine Lust auf Stau. Oder kein eigenes Auto. Was tun, um in der Stadt voranzukommen?

Die Antwort gibt der Mega-Trend der Digitalisierung: App aufrufen, Wagen bestellen und auf dem Weg umweltfreundlich möglichst noch andere Fahrgäste aufsammeln. So plant es die Volkswagen-Tochter
Moia.

«Der Markt ist ganz am Anfang – und er wird riesig werden», glaubt Firmenchef Ole Harms. Aber auch viele andere Anbieter tummeln sich inzwischen in der Branche, Moia ist nicht allein. Im Gegenteil.

Die klassischen Autobauer müssen sich rüsten für den Kampf mit großen Fahrdienst-Plattformen wie Uber. Die Amerikaner haben vorgemacht, wie es gehen könnte, sich aber massiv mit Behörden und Taxiunternehmen angelegt. Und auch Google ist im Spiel: Die Schwesterfirma Waymo hatte kürzlich angekündigt, ihre Flotte selbstfahrender Autos mit bis zu 62.000 Minivans von Chrysler auszubauen. Waymo ist gerade dabei, einen Robotertaxi-Service für Bewohner eines Vororts von Phoenix (US-Bundesstaat Arizona) zu starten.

BMW und Mercedes wiederum legten ihre Carsharing-Dienste DriveNow und Car2Go zusammen – um nicht von Firmen wie Uber oder Didi Chuxing zu reinen Zulieferern degradiert zu werden, wie Branchenexperte Stefan Bratzel erklärt. «Wir erleben einen Paradigmenwechsel der Industrie – Autokauf und -besitz sind nur noch eine Option.»

Die Hersteller könnten zwar Autos an Uber verkaufen. «Aber dann sitzt man nicht mehr am Steuer.» Mobilität entwickele sich immer mehr zur Dienstleistung, dafür müssten die Hersteller in Kauf nehmen, ihr Geschäftsmodell – den Verkauf von Autos – zu kannibalisieren. Kollege Ferdinand Dudenhöffer verweist auf die Anstrengungen von Google und Co.: «Der Kunde ist bei dem, der die Software beherrscht.»

So will auch Ford in Köln mitmischen, gemeinsam mit den Kölner Verkehrs-Betrieben. Transit-Busse sollen vor allem in den Abendstunden und an Wochenenden rollen, die Fahrgäste können diese per App bestellen, wie Ford-Chef Gunnar Herrmann der «Kölnischen Rundschau» sagte. Derzeit testet Ford das in London. Auch kleinere Anbieter wie Clevershuttle sind am Start. VW ist also unter Zugzwang.

Klar ist: Erst muss Moia das System – das sogenannte Ride-Pooling – zum Funktionieren bringen, wie Harms erklärt. Was verbirgt sich dahinter? Fahrgäste können per App ihr Moia-Fahrzeug zu einer virtuellen Haltestelle in ihrer Nähe bestellen. Ein spezieller Algorithmus sorgt dann dafür, dass Fahrgäste mit einer ähnlichen Route unterwegs abgeholt werden. Ein Test mit 35 T6-Bussen läuft in Hannover, eine Konzession für bis zu 250 Fahrzeuge ist beantragt. Noch 2018 wird der offizielle Start des Angebots angepeilt.

Ein Meilenstein steht für Moia aber in Hamburg an. Dort hat der Anbieter schon eine Erlaubnis ab Januar 2019 – und zwar für 500 Fahrzeuge in den ersten beiden Jahren, wie Harms sagt. Der Start in Hamburg ist für die ersten Monate 2019 geplant. Beantragt war zunächst eine Konzession für 1000 vollelektrische Kleinbusse, nun sind es noch bis zu 500. Ein Zugeständnis an die Taxiunternehmer? Mit denen liegt Moia im Clinch. Es habe dort «einige Geräusche» gegeben, räumt Harms ein. «Schade, dass das so zugespitzt wurde.»

Er betont, Moia sei mit den Taxiverbänden und -unternehmen im Gespräch. Doch das Taxi deckt aus seiner Sicht nur bestimmte Fälle ab, habe je nach Stadt einen Anteil von einem bis drei Prozent am Verkehr. «Wir sagen: Es profitieren am Ende alle.» Ein Beispiel: Wer eilig zum Flughafen wolle, werde immer das Taxi nehmen, um nicht warten zu müssen, bis andere Fahrgäste zugestiegen seien – außerdem könne er so mehr Gepäck unterbringen.

«Heute ist das eine Nische, der Markt steckt noch in den Kinderschuhen», sagt der Moia-Chef. Das soll sich ändern. Moia will einer der führenden «Mobility-on-Demand»-Anbieter werden: «Wir sind nicht für zwei Städte angetreten.» Man wolle ein «veritables Standbein» des VW-Konzerns und globales Unternehmen werden.

Ein Kernbestandteil aller modernen Mobilitätskonzepte ist das autonome Fahren. Die Anbindung unterversorgter Gebiete auf dem Land sei schon heute nicht kostendeckend möglich, die Automatisierung mache dies leichter, sagt Harms. Das sei aber Zukunftsmusik – und «Fahrer sind noch lange notwendig». Bratzel erklärt hingegen, richtig Geld werde das Prinzip erst abwerfen, wenn autonom fahrende Autos im Einsatz seien. Am Ende könnten Flatrate-Tarife für Mobilität stehen.

Zunächst hat Moia vor, den Stadtraum abzudecken, um den Verkehr zu entlasten. Indem sich Menschen ein Fahrzeug teilten, verringere sich die Zahl der Autos auf der Straße – das bedeute weniger Staus, Lärm und Abgase. In Hannover testet Moia das mit 3500 Nutzern in der City.

Die Tester buchen und bezahlen den Shuttle-Service per Smartphone-App. Dabei nimmt Moia eher utopische 6 Cent je Kilometer – sei die Konzession erst da, würden die Preise steigen.

Dennoch bringt dies die Taxifahrer auf die Palme. Laut Wolfgang Pettau, Geschäftsführer der Hallo Taxi 3811 GmbH in Hannover, würde eine Konzession für 250 Moia-Fahrzeuge das Taxigewerbe schwächen, bis nur noch Trümmer übrig blieben. Er kritisiert, dass ein Anbieter genehmigt würde, der ein Monopol auf «On-Demand»-Leistungen habe.

Jedoch zieht sich das Verfahren, auf Antrag von Hallo Taxi ordnete die Vergabekammer Lüneburg eine Nachprüfung an. Die Stadt Hannover rechnet mit einer Verzögerung von rund vier Wochen, man gehe aber von einer Genehmigung aus. «Neue Angebote stoßen auf alte Interessen, die dann gefährdet werden», sagt Bratzel. «Es ist ein Machtspiel.»


(dpa)

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