München – Ein über mehr als 100 Jahre kaum verändertes Bauteil für den Autoinnenraum war im Januar auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas in einer Hightech-Version zu sehen: der «Virtual Visor» – eine Neufassung der Sonnenblende als transparentes LCD-Display.
Wie funktioniert das? Eine Innenraumkamera beobachtet des Gesicht des Fahrers und den Schattenwurf; Algorithmen berechnen, welcher Teil der Blende verdunkelt werden muss, um eine Blendung des Fahrers zu vermeiden. Der Rest des Displays bleibt durchsichtig und der Blick auf die Straße frei. Allerdings ist diese Bosch-Entwicklung noch nicht reif für die Serie.
Sonnenstrahlung im Auto – auch eine Gefahr für die Gesundheit
Doch wie können Autofahrer sich und andere Insassen heute schon vor Sonnenstrahlung oder auch unangenehmer Aufheizung des Innenraums bei hohen Außentemperaturen schützen? Ein Thema, das durchaus relevant ist, weil es auch Gesundheitsrisiken berührt.
Laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gehen die Risiken vor allem von UV-A-Strahlung aus. Vorzeitige Hautalterung und Hautkrebs könnten die Folge sein. «Während die Frontscheiben im Auto weitestgehend vor UV-A- und UV-B-Strahlung schützen, lassen Seitenscheiben die UV-A-Strahlung mehr oder weniger gut passieren,» sagt Cornelia Baldermann, Expertin für UV-Schutz beim BfS.
Sonnenbrand, verursacht in erster Linie von UV-B-Strahlung, muss im Auto bei geschlossenen Scheiben also normalerweise nicht gefürchtet werden – es sei denn, fügt Baldermann an, man habe so genannte fotosensibilisierende Substanzen wie Zitrusfrüchte oder Sellerie zu sich genommen. Sie begünstigen Hauterkrankungen bei UV-Strahlung.
Die Rückbank wird zur Sonnenbank
Hautschäden durch UV-A-Strahlung drohen laut Baldermann auf der Rückbank vor allem Kindern, da deren Haut empfindlich sei. Im Sommer sei daher bei längeren Autofahrten an sonnigen Tagen auch im Auto UV-Schutz geboten. Im Handel gibt es Sonnenschutzblenden, -rollos, -gardinen, Sonnenschutzfolien und Überzüge für die Tür. Teils weisen die Hersteller den Lichtschutzfaktor aus.
Auch ein anderer Positiv-Effekt tritt ein: «Grundsätzlich gilt: Mit Blendung und Sonnenhitze steigt das Unfallrisiko. Die Produkte dienen damit der Verkehrssicherheit – sofern sie so verbaut sind, dass Sie die Sicht des Fahrers nicht einschränken», sagt ADAC-Sprecher Johannes Boos. Doch jede Lösung hat Vor- und Nachteile.
Feste Blenden schützen meist günstig
Sonnenschutzblenden sind laut Vincenzo Lucà vom Tüv Süd die «günstigste und einfachste Lösung». Allerdings decken sie nur einen Teil der Scheibe ab. Mehr als eine «gewisse Abschattung» dürfe man von günstigen Blenden nicht erwarten. Immerhin sind sie dank Saugnäpfen oder Selbstklebestreifen einfach anzubringen.
Man sollte auf festen Sitz achten und darauf, dass die Blenden keine scharfen Kanten haben. Auch kann das Fester nicht mehr geöffnet werden, ohne die Blende abzunehmen. Mehr Erfolg versprechen speziell an Fahrzeugtypen angepasste Blendensysteme, die aber schnell über 100 Euro kosten.
Vorhang auf und Rollo runter
Sonnenschutzrollos oder -gardinen sind per Saugnapf schnell montiert oder an der Fensteroberkante eingehängt. Weil aus- und ausziehbar, geben sie die Sicht schnell wieder frei, wenn die Sonne hinter den Wolken bleibt. «Wenn die Kinder mal rausgucken wollen, sehen sie mehr», sagt Lucà. Damit sind sie flexibel in der Handhabung auch während der Fahrt. Doch bei den Nachrüstsätzen kann das Fenster ebenfalls nicht mehr geöffnet werden.
Außerdem könnten, so Boos, sowohl bei Rollos als auch bei Gardinen Teile während der Fahrt klappern. Wichtig: Die Systeme dürfen die oft über den Fenstern eingelassenen Vorhang-Airbags nicht beeinträchtigen, warnt Lucà. Er rät deshalb von Billigware aus dem Internet ab. Stattdessen gibt man besser etwas mehr Geld für Originalzubehör vom Autohändler aus – bekommt dann aber eine sichere, auf das Automodell abgestimmte Lösung.
Verhüllend drübergezogen
Überzüge werden über die Scheibe oder den Türrahmen gezogen und decken das Fenster vollständig ab. Damit bieten sie einen guten Sonnenschutz. Teils können die Fenster unterwegs geöffnet werden, dann dienen die Teile als Insektenschutz. Jedoch können die Überzüge erst wieder abgenommen werden, wenn das Auto steht.
Ein Plus: Die Demontage ist so schnell erledigt wie die Montage. Jedoch: «Ein Überzug kann heftige Geräusche erzeugen. Sollten Teile während der Fahrt abreißen, kann das für den nachfolgenden Verkehr gefährlich werden», warnt ADAC-Sprecher Boos.
Folien sind wirkungsvoll, aber kostspielig
Sonnenschutz- oder UV-Folien sind laut Lucà die «aufwendigste, effizienteste, aber auch teuerste Lösung». Sie aufzubringen, sollte einem Fachmann überlassen werden. Das schlage in der Regel mit mehreren Hundert Euro zu Buche. Dafür sind UV-Schutz und Wärmedämmung sehr gut. Eine weitere Besonderheit: Die Insassen können durch die Folien noch nach draußen schauen. «Das haben sie bei allen anderen Lösungen nicht», sagt Lucà.
Allerdings verbleiben die dunklen Folien dauerhaft an den Scheiben, was vor allem bei Dämmerung oder Dunkelheit die Rundumsicht einschränken kann: «Durch die Folie kann man nur gut vom Dunkeln ins Helle blicken», sagt Boos. Jede angebrachte Folie muss laut ADAC über eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) verfügen. Die ABE-Nummer müsse von außen an der Autoscheibe gut sichtbar sein und das dazugehörige ABE-Dokument im Auto mitgeführt werden: «Ansonsten droht Ungemach bei der Hauptuntersuchung oder einer Polizeikontrolle.»
Nicht zu dunkel – sonst wird’s schnell zappenduster
Beim Abdunkeln oder Abdecken von Autoscheiben gibt es grundsätzlich rechtliche Aspekte zu beachten: Die Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) regelt, was erlaubt ist und was nicht: «Scheiben aus Sicherheitsglas, die für die Sicht des Fahrzeugführers von Bedeutung sind, müssen klar, lichtdurchlässig und verzerrungsfrei sein», heißt es dort.
So dürfen Windschutzscheibe und vordere Seitenscheiben nicht abgedunkelt werden – im Gegensatz zu allem, was sich an Fenstern hinter der B-Säule befindet.
Wie schützen sich Frischluftfans im Cabrio?
Ein Spezialfall betrifft Cabriofahrer: Weil sie kaum eine Scheibe schützt und sie die brennende Sonne im Fahrtwind womöglich unterschätzten, sollten sie laut Tüv Süd Sonnencreme auftragen. Weil diese selbst mit hohem Lichtschutzfaktor bei längeren Frischluftfahrten aber irgendwann aufgebraucht sei, rät Sprecher Lucà dazu, unbedeckte Körperstellen mit Kleidung abzudecken. Für den Kopf sei eine Kappe Pflicht – denn schlimmstenfalls drohe ein Sonnenstich.
Die richtige Sonnenschutzlösung für das eigene Auto zu finden, erfordert grundsätzlich etwas Nachdenken über die eigenen Bedürfnisse. Lucà rät Interessenten sich zu fragen: «Wie flexibel muss die Lösung sein?» Wechsele man mit den Kindern öfters das Fahrzeug, empfehle sich eine schnell zu montierende Lösung. Im Falle von Neuwagen empfiehlt er Familien, eine Scheibenabdunklung gleich mitzubestellen – ebenfalls eine nicht ganz billige Sache.
(dpa/tmn)