Abu Dhabi – Die uneingeschränkte Wertschätzung von Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone genießt der neue Weltmeister Nico Rosberg nicht.
«Wenn Nico den Titel gewinnen würde, wäre das gut für ihn und gut für Mercedes, aber es würde dem Sport nicht unbedingt helfen, weil es nichts über ihn zu schreiben gibt», hatte Ecclestone geätzt. Der flamboyante Lewis Hamilton sei mit seinem schillernden Privatleben einfach der medienwirksamere Botschafter. Immerhin räumte Ecclestone ein, dass Rosberg wegen seiner fahrerischen Klasse ein verdienter Champion sei.
Das ist der gebürtige Wiesbadener mit Sicherheit. Poles in Serie und Siege in Serie in dieser Saison sprechen eine eindeutige Sprache. Was Statistiken aber nur bedingt wiedergeben, ist Rosbergs Vermögen zur Selbstoptimierung. Mit Präzision und Detailversessenheit arbeitete er an seinen Defiziten. Rosberg überwand seine vorübergehenden Schwäche bei Starts, tüftelte an Atmung und Schlafrhythmus.
Zudem wählte der 31-Jährige die für ihn perfekte mentale Marschroute, um den Formel-1-Gipfel zu erklimmen: nur von Rennen zu Rennen zu denken und dabei das Maximum herausholen. «So kann ich die beste Performance abliefern», erläuterte Rosberg wieder und wieder, der selbst im Finale von Abu Dhabi beharrlich und nervenstark auftrat. «Nico hat einen analytischen Geist», bescheinigte ihm Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff einmal. Man könne ihn daher ruhig «Professor Rosberg» nennen.
Einen gewissen Anteil an seiner Entwicklung hat auch Rekordchampion Michael Schumacher. Als Rosberg 2010 zu den Silberpfeilen wechselte, war niemand Geringeres als der siebenmalige Weltmeister sein Teamkollege. Und von diesem konnte Rosberg einiges in Sachen Leidenschaft, Disziplin und Kampfgeist lernen.
Im vierten gemeinsamen Mercedes-Jahr hat er nun endlich auch Hamilton geschlagen. Rosberg hat damit das Image als ewiger Zweiter abgewendet. Außerdem konnte er aus dem Schatten seines Vaters Keke treten. Der Finne war 1982 minimalistisch mit nur einem einzigen Sieg zum Formel-1-Titel gerast. «Es war eine weise Entscheidung von ihm, mich meinen eigenen Weg gehen zu lassen», sagte Rosberg junior einmal über den Abnabelungsprozess vom bestimmenden Senior.
Rosbergs Herkunft unterscheidet ihn grundlegend von den Straßenkämpferfahrern wie Schumacher, Hamilton oder auch Vettel, die schon zu Beginn ihrer Kart- und Motorsportlaufbahn immer wieder von der bangen Existenzfrage geprägt waren. Weltmeistersohn Rosberg wuchs hingegen fern von finanziellen Sorgen im mondänen Monaco auf.
Doch der Familienvater ruhte sich nie aus. Enormer Ehrgeiz auf dem Asphalt und abseits der Strecke zeichnen ihn aus. Rosberg beherrscht fünf Sprachen fließend. Hätte es mit der Motorsportkarriere nicht geklappt, soll ihm am renommierten Imperial College in London ein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik offengestanden haben.
Rosbergs Mutter Sina wäre auch in diesem Fall mächtig stolz auf ihren Sohn gewesen. Mit dem nicht ungefährlichen Job eines Rennfahrers konnte sie sich – vorgeprägt durch die Laufbahn ihres Mannes Keke – nie wirklich anfreunden. «Während des Rennens putzt sie zuhause die Wohnung, macht den Staubsauger an und wartet, bis alles vorbei ist», erzählte der Sohn einmal. «Sie hat eben Angst um mich.» Nun hat Sina Rosberg zwei Formel-1-Weltmeister in ihrer Familie.
(dpa)