Rennwagen für die Straße: Unterwegs im Jaguar XKSS

Ein paar flotte Runden im ersten Supersportwagen der Welt, dem 1957 gebauten Jaguar XKSS? Da ließen wir uns nicht zweimal bitten und kletterten über die hohen Schweller in Car Zero.

Der beim Oldtimer Grand Prix 2017 gezeigte Vorläufer – Car Zero – steht einer Serie von neun Kundenfahrzeugen des XKSS vor, die seit diesem Jahr ausgeliefert werden. Die nach Originalplänen neu geborenen Jaguar XKSS schließen nun diese Lücke in der Markenhistorie, sprich die nach dem verheerenden Brand im Werk Browns Lane im Februar 1957 nicht mehr fertiggestellten neun Einheiten. Was war geschehen? Nach den Le Mans-Triumphen von 1955, 1956 und 1957 sowie dem Ausstieg aus dem Motorsport hatte Jaguar-Chef Sir William Lyons am 14. Januar 1957 beschlossen, 25 verbliebene D-Type Monocoques zum weltweit ersten Supersportwagen umzurüsten und damit Rennsport-Gene vom Feinsten auf die Straße zu bringen.

 

Der Jaguar Sportwagen kommt auf 230 km/h

Die für den Straßenbetrieb vorgenommenen Änderungen bescherten den D-Types eine höher gezogene Windschutzscheibe mit solidem Chromrahmen, Seitenscheiben, eine zweite Tür auf der Beifahrerseite, Stoßstangen vorne und hinten, geänderte Scheinwerfer und Rückleuchten sowie den Ausbau der Trennstrebe zwischen Fahrer- und nie besetztem Beifahrerplatz sowie der markanten Heckflosse. Ein Stoffhäubchen bot im Jaguar XKSS marginalen Schutz vor der Witterung, statt eines Kofferraums musste ein Gepäckträger langen, eine Sitzverstellung sparte man sich ganz. Der dank seines potenten 3,4 Liter-Reihensechszylinder 230 km/h schnelle und 920 Kilogramm leichte Jaguar XKSS war vor allem für den US-Export gedacht, doch nur 16 Fahrzeuge wurden vor Ausbruch des Feuers fertig.

10.000 Stunden Handarbeit erfordert jeder neue XKSS

Im Gegensatz zu den Reborn-Programmen von Jaguar und Land Rover handelt es sich bei „Continuation Cars“ wie den neun XKSS um komplett neu und in rund 10.000 Stunden in Manufaktur aufgebaute Modelle historischer Legenden. Wie 1957 besteht auch die Karosserie auch 60 Jahre später aus einer Magnesium-Legierung. Die Original-Holzformen, auf denen die Bleche per Hand in Form geklopft werden, rekonstruierte Jaguar Classic anhand Karosserien aus den 1950er-Jahren. Die Rahmen werden CAD-gestützt nachkonstruiert, die Bestandteile werden getreu des für das Original angewendeten Schweißverfahrens mit Bronze zusammengefügt, die Stärke der Rahmenrohre stimmt auf den Zehntelmillimeter. Dann mal los, auch wenn der verregnete und stellenweise holprige Flugplatz Mendig nicht das ideale Geläuf für ein Millionen-Euro-Auto darstellt.

Auf Komfort verzichtete Jaguar konsequent

Halb so wild, die auf genieteten zweiteiligen Felgen aus einer Magnesium/Aluminium-Legierung nach alten Plänen nahgefertigten Dunlop-Pneus sorgen alsbald für Vertrauen. Gleiches gilt für die seinerzeit revolutionären Dunlop-Scheibenbremsen an allen vier Rädern des neugeborenen Jaguar XKSS. Auch im Interieur ist vom Holzlenkrad über die Narbung der Ledersitze bis zu den Smiths-Rundinstrumenten alles so wie vor 60 Jahren. Ersteres erfordert im Jaguar Sportwagen mangels Servounterstützung den ganzen Mann, auch wenn ein halber es angesichts der höchst beengten Platzverhältnisse wesentlich bequemer hätte. Beifahrer aufgepasst, der unterm Bodenblech verlaufende Auspuff macht hitzefeste Schuhsohlen unverzichtbar.

  

Der Jaguar XKSS  verzaubert einen sofort

Laut und ungefiltert brettert der XKSS über die Betonfugen, das straffe Fahrwerk verlangt nah Nehmerqualitäten. Na und? Der Flitzer schießt so vehement nah vorn, dreht so willig hoch, brüllt so herrlich-trocken ungedämpft da ganze Areal zusammen. Ordentlich drauftreten, dann fliegen die Regentropfen über die nicht allzu hohe Frontscheibe vom Jaguar Roadster. Und drinnen? Fliegt das Herz. Die neun Kunden sind zu beneiden.

Bilder: ©Arild Eichbaum, Jaguar Land Rover Deutschland

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