Melbourne – Mit seinem feinen Gespür für Erfolg will Teamchef Toto Wolff auch beim Neustart der Formel 1 mit Mercedes an der Spitze bleiben.
Vor seiner fünften Saison als Anführer der Silberpfeile fühlt sich der Weltmeistermacher aus Wien herausgefordert von der radikalen Regelreform, die eigentlich die Übermacht des Werksteams brechen soll. «Chancen und Risiken sind für alle gleich. Das ist für uns eigentlich ein Glücksfall», sagte Wolff der Deutschen Presse-Agentur vor dem Auftakt-Wochenende in Melbourne. Der 45-Jährige, der schon als Finanzinvestor den Riecher für gute Geschäfte hatte, will im Grand-Prix-Gewerbe weiter Branchenprimus sein.
Wolff treibt seine Mannschaft mit einer Mischung aus Schmäh und Kalkül, Charme und Entschlossenheit vorwärts. Drei Fahrertitel und drei Konstrukteurs-Kronen erbeutete Mercedes zuletzt unter seiner Führung. Mit 51 Siegen in 59 Rennen kann Teamchef Wolff für die vergangenen drei Jahre eine Siegquote vorweisen, die auch Michael Schumachers Ferrari-Crew oder Sebastian Vettels Red-Bull-Rennstall zu ihren besten Zeiten nicht erreicht haben. Kein Wunder, dass Wolff sagt: «Ich möchte zum jetzigen Zeitpunkt in meinem Leben in keiner anderen Rolle sein.»
Auch deshalb hat der Österreicher vor der neuen Saison seinen 2013 geschlossenen Vertrag als Mercedes-Motorsportchef bis 2020 verlängert, genauso wie Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda, mit dem Wolff das Rezept für die jüngsten Erfolge perfektioniert hat. «Die vergangenen paar Jahre waren einige der schönsten, die ich in der Formel 1 erlebt habe. Toto und ich bilden eine perfekte Partnerschaft», sagt der dreimalige Weltmeister Lauda.
Jetzt aber muss Erfolgsmensch Wolff, der sich aus bescheidenen Verhältnissen zum Multi-Millionär empor arbeitete, einen Neuanfang moderieren. Champion Nico Rosberg hat völlig unerwartet seine Karriere beendet, Technikchef Paddy Lowe ist zu Williams gewechselt und die Neuregelungen für breitere und schnellere Autos könnten die bisherige Hackordnung ins Wanken bringen. Für Wolff ist der Wandel schlicht Ansporn. «Ein Team muss sich wie jedes Unternehmen weiter entwickeln. Du kannst nicht einen Zustand einfrieren und hoffen, dass alles immer so bleibt», sagt der Teamchef.
Rosberg wurde nach mühsamen Verhandlungen mit Williams durch den Finnen Valtteri Bottas ersetzt, als neuen Cheftechniker holte Wolff den erfahrenen James Allison. Schwächer ist Mercedes damit wohl kaum geworden. Auch den Ärger mit Lewis Hamilton nach dessen Blockadefahrt gegen Rosberg im Finale der Vorsaison hat Wolff längst bereinigt – mit einem langen Gespräch in seiner Küche. «In der Summe ist unsere Beziehung stärker geworden, auch durch diese Vorfälle. Du lernst dich besser kennen», sagt Wolff, der viel Talent zum Menschenfänger hat.
Sein breites Lächeln bei den Testfahrten vor Saisonstart, als Mercedes die meisten Kilometer abspulte und sich mit Ferrari die meisten Tages-Bestzeiten teilte, ließ Wolffs Vorfreude auf das neue Grand-Prix-Jahr erahnen. Der einstige Rennfahrer, der trotz einiger Siege lieber auf seine Fähigkeiten als Unternehmer setzte, sieht sein Team für die Fahrt in die neue Formel 1 gerüstet.
«Ob wir wieder erfolgreich sein werden oder Spaß daran haben werden, einen Gegner zu jagen, der einen besseren Job gemacht hat, spielt im Moment keine Rolle. Beide Situationen haben etwas Reizvolles», sagt Wolff ganz entspannt. Sein Bauchgefühl dürfte ihm längst verraten haben, dass wohl auch 2017 wieder die Silberpfeile zumeist die Gejagten sind.
(dpa)