Nach 68 Jahren stellt Land Rover den Defender ein

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Solihull (dpa/tmn) – Weihnachten kann Mike Fisher in diesem Jahr gestohlen bleiben, Silvester gleich dazu. Denn nach Feiern ist dem Australier nicht zu Mute. Und damit ist der Land-Rover-Fan nicht alleine. Im Gegenteil: Weltweit weht in diesen Tagen Trauerflor durch Kiesgruben und Hochmoore.

Der Grund: Fast 70 Jahre nach der Premiere auf der Motorshow in Amsterdam im April 1948 endet die Produktion des Land Rover Defender. Nicht weil es keine Kunden mehr gäbe, sagt Pressesprecher Mayk Wienkötter. Sondern weil die antiquierte Konstruktion die kommenden Abgas- und Sicherheitsanforderungen nicht mehr erfüllt und dafür auch nicht noch einmal ertüchtigt werden konnte. Deshalb werden jetzt im Werk Solihull die letzten Aufträge abgearbeitet.

Vater des Wagens war Maurice Wilks, der Bruder des Rover-Chefs Spencer Wilks. Er wollte Rover in den Nachkriegsjahren mehr Rohstoffe sichern. «Deshalb suchte er nach einem Konzept, das sich weltweit gut verkaufen ließ», berichtet Land-Rover-Mitarbeiter Roger Crathorne. Inspiriert vom Willys Jeep kam Wilks ein Nutzfahrzeug in den Sinn: «Ein Rover für den Farmer, mit dem man überall hinkommt.»

Das Konzept geht auf, und der Land Rover, der heute als «Serie 1» geführt wird, schafft es aus dem Stand zum Exportschlager: Schon nach zwei Jahren wird er in 70 Ländern verkauft, und heute sind es über 160. Neben Bauern und Buschdoktoren kommen auch Militärs und Monarchen auf den Geschmack. Der Defender wird weltweit zum Inbegriff des Geländewagens.

Dass es nicht noch mehr Autos wurden, lag nicht zuletzt an einer Fertigung, die ähnlich antiquiert ist, wie das Fahrzeug selbst, erzählt Produktionschef Greg Nibblet. Er nennt den Defender ein Puzzle aus 8953 Teilen, das in 4190 Montageschritten zusammengefügt wird. Und anders als in der Nebenhalle, wo der luxuriöse Range Rover vom Band läuft, geschieht das vor allem von Hand. «Während dort 328 Roboter eingesetzt werden, sind es hier nur sechs», sagt Nibblet.

Dafür allerdings ist die Technik so simpel, dass man den Wagen in jeder Buschwerkstatt reparieren kann. «Man braucht nicht viel mehr als einen Hammer, einen Schraubenzieher und ein bisschen Geschick», sagt Nick Fitt, der Service-Chef von Land Rover in Malaysia. Und er muss es wissen. Denn in seinem Verantwortungsbereich liegen die Cameron Highlands, wo sich Zigtausende alte Land Rover sammeln, fit gehalten von findigen Mechanikern direkt am Straßenrand.

Was nicht in den Cameron Highlands oder anderen entlegenen Winkeln der Welt fährt, ist mittlerweile begehrte Sammlerware, sagt Land-Rover-Experte Mike Fisher. Das Angebot ist zwar riesig, schließlich sind laut Pressesprecher Wienkötter noch immer rund 75 Prozent der über zwei Millionen je gebauten Defender auf der Straße. Aber die Preise ziehen an. 50 000 Euro für Serie 1-Modelle aus den Fünfzigern sind Standard, sagt er.

Auf den ersten Blick ist es vergleichsweise widersinnig, einen alten Land Rover der Serie 1 zu kaufen. Schließlich gibt es kaum ein Auto, bei dem sich in sechs Jahrzehnten Entwicklungszeit so wenig verändert hat, so dass sich selbst ein Neuwagen anfühlt wie ein Oldtimer. Bis einen dann Männer wie Fisher mal mitnehmen in einem Serie-1-Land Rover und einem die Evolution plötzlich wie eine Revolution vorkommt.

Denn die Konstruktion des Originals hätte einfacher nicht sein können: Zwei starre Achsen, ein gerade mal 37 kW/50 PS starker 1,6-Liter-Vierzylinder aus dem Rover-Regal, der Allradantrieb mit entkoppelbarer Vorderachse und eine unverwüstliche Karosserie, die ohne teure Werkzeuge aus Alublechen gedengelt wurde – mehr brauchte es nicht, um die Welt im Kriechgang zu erobern.

Vier hakelige Gänge, filigrane Pedale, ein Lenkrad dünn wie bei einem Spielzeugauto und maximal 90 km/h – wer einmal in Fishers Serie 1 durchs Unterholz pflügt, hält den aktuellen Defender mit seinem 90 kW/122 PS starken 2,2-Liter-Diesel, mit Ledersitzen, Klimaanlage und elektrischen Fensterhebern glatt für einen Sportwagen.

So vital die Oldtimer und so rustikal die Neuwagen sind, will die Fangemeinde partout nicht daran glauben, dass nun Schluss ist. Und ob der für Ende des Jahrzehnts versprochene Nachfolger tatsächlich noch so viel Charme und Charakter hat, das wird sich erst zeigen müssen. Aber weil die Hoffnung schließlich zuletzt stirbt und es seit 1948 immer irgendwie weitergegangen ist, halten sich hartnäckig die Gerüchte über eine Anschlussproduktion in einem Schwellenland, in dem es keine Bürokraten mit kleinkarierten Zulassungsvorschriften gibt. Eine charmante Idee, die bereits die Fantasie von Re-Importeuren beflügelt und von Land Rover gar nicht erst kommentiert wird.

Aber es gibt noch etwas, was der Fan-Gemeinde Hoffnung macht: Die «Celebration Line». Denn mitten im Werk hat Crathorne zusammen mit ein paar Enthusiasten dort die originale Fertigungsstraße nachgebaut. «Die werden wir nach dem Ende der offiziellen Produktion allenfalls umziehen, aber keinesfalls wieder abbauen», sagt Crathorne und fügt im Scherz hinzu: «Wenn jemand die Teile besorgt und mir grünes Licht gibt, bauen wir den Defender einfach heimlich dort weiter.»









(dpa)