Mercedes X-Klasse im Test: Laster trifft Luxus

Berlin (dpa-infocom) – Bislang hat man die Fahrer eines Mercedes-Geländewagens zumeist im Boss-Anzug gesehen. Doch jetzt können sie bald auch den Blaumann aus dem Schrank holen. Möglich macht das die neue X-Klasse.

Die Schwaben haben sich in die nächste Nische gewagt und mit der X-Klasse für Preise ab 37 295 Euro gegen Autos wie den Toyota Hilux, Ford Ranger und allen voran dem VW Amarok ihren ersten Pick-up in Stellung gebracht.

Ein Auto für zwei Welten

Verantwortet von der Van-Sparte soll er dabei ähnlich wie das Doppel aus Vito und V-Klasse zwei Welten bedienen: Auf der einen Seite gibt er das Nutzfahrzeug mit ordentlichen Nehmerqualitäten für Gartenbauer, Rinderzüchter oder Minenbesitzer. Auf der anderen Seite will er ein luxuriöser Lifestyle-Laster sein, der Outdoor-Sportler mit all ihren Gerätschaften in die Freizeit bringt oder gelangweilten SUV-Fahren den nächsten Kick gibt.

Für diese Zwitterrolle hat Mercedes die X-Klasse gut gerüstet: Für die harte Seite des 5,34 Meter langen Pritschenwagens stehen 1,1 Tonnen Nutz- und 3,5 Tonnen Anhängelast, eine Starrachse unter der über zwei Quadratmeter großen und Europaletten-tauglichen Ladefläche sowie ein Allradantrieb mit Geländeuntersetzung, mit der sich das Stahlgebirge fast so tapfer durch den Schlamm wühlt wie eine G-Klasse.

Hardcore-Mercedes mit einer soften Seite

Für die softe Seite stehen nicht nur ein überraschend komfortabel abgestimmtes Fahrwerk mit Schraubenfedern reihum und ein gut gekapselter Motor, sondern vor allem eine Kabine in Lack und Leder mit vielen Details aus den Pkw-Baureihen: Die Instrumente, das Lenkrad, den freistehende Navi-Bildschirm, ja sogar den Touchcontroller des Command-Systems haben die Schwaben aus C-Klasse und Co übernommen.

Anders als bei GLA oder GLC muss sich in diesem Auto niemand einschränken: Knie- und Kopffreiheit in der Doppelkabine mit eigenen Türen zum Fond sind mehr als ausreichend, und das Kofferraum-Volumen ist in jeder Hinsicht nach oben offen.

Deutliche Unterschiede zu GLE und Co.

Bei aller Liebe zum Luxus an der Laderampe gehen die Schwaben bei der X-Klasse nicht ganz so weit wie etwa bei GLC oder GLE. Die Materialauswahl ist lange nicht so vornehm wie in den echten Geländewagen, das Fahrwerk nicht so raffiniert, der Motor nicht so kultiviert und die Liste der Wunschausstattung nicht so lang.

So gibt es zwar LED-Scheinwerfer und eine 360-Grad-Kamera, die das Rangieren mit dem Riesen spürbar leichter macht. Aber eine automatische Abstandsregelung zum Beispiel oder die klimatisierten Sitze des GLE sucht man vergebens. Für einen Pick-up ist die X-Klasse deshalb tatsächlich Premium, doch für einen Mercedes kommt sie ziemlich preiswert daher. Aber nicht umsonst ist sie ja auch etwa 7000 Euro billiger als etwa ein GLC.

Im Herzen ein Nissan mit Stern

Die Kompromisse sind sicher auch ihrer Doppelrolle geschuldet, liegen aber schon in der Konzeption begründet. Denn die X-Klasse ist keine reine Mercedes-Entwicklung, sondern entstammt einer Kooperation mit Nissan und basiert auf dem Navara.

Bis im nächsten Jahr im X350d der erste V6-Diesel mit 190 kW/258 PS, 550 Newtonmeter und serienmäßig permanentem Allradantrieb kommt, liefern die Japaner auch den einzigen Motor für die X-Klasse: Einen 2,3 Liter großen Diesel, der es im X220d auf 120 kW/163 PS und im X250d auf 140 kW/190 PS bringt und nur optional mit Automatik und zuschaltbarem Allradantrieb ausgerüstet wird.

Kein Stern für die linke Spur

Für einen Vierzylinder macht der seinen Job nicht schlecht. Doch darf man bei 2,3 Tonnen Leergewicht und einem Radstand von 3,15 Meter selbst mit maximal 450 Newtonmeter weder beim Beschleunigen noch in Kurven ein Wunder erwarten. Mit der Stirnfläche eines Garagentors ist es auch mit dem Spitzentempo nicht so weit her: Mit Allrad und Automatik von 0 auf 100 km/h in 11,8 Sekunden und bei Vollgas 175 km/h. Für einen Laster nicht schlecht, für die linke Spur aber ein bisschen wenig.

So bringt die X-Klasse zwar eine gehörige Portion Luxus an die Laderampe, bleibt aber bei der Leistung weit hinter den Erwartungen der Lifestyle-Gesellschaft zurück. Schließlich gibt es bei der Pkw-Fraktion mittlerweile stärkere Diesel und sehr zur Freude der Tuner lässt auch AMG von der X-Klasse erst einmal die Finger.

Fazit: Der Mercedes für Malocher mit Manieren

Die X-Klasse ist groß und grobschlächtig und kann mehr schultern als jeder andere Geländewagen. Zugleich ist sie komfortabler und kultivierter als jeder andere Pick-up, den man in Europa kaufen kann. In der Mercedes-Palette fährt die X-Klasse als Zwitter aus Lastwagen und Lifestyle-Auto zwar zwischen den Stühlen, doch an der Laderampe machen die Schwaben mit dem ersten Mercedes für Malocher mit Manieren eine neue Klasse auf.

Datenblatt: Mercedes X250d 4matic

Motor und Antrieb: Vierzylinder-Commonrail-Diesel
Hubraum: 2298 ccm
Max. Leistung: 140 kW/190 PS bei 3750 U/min
Max. Drehmoment: 450 Nm bei 1500 – 2500 U/min
Antrieb: Allradantrieb
Getriebe: 7-Gang-Automatik
Maße und Gewichte
Länge: 5340 mm
Breite: 1920 mm
Höhe: 1819 mm
Radstand: 3150 mm
Leergewicht: 2259 kg
Zuladung: 991 kg
Kofferraumvolumen: k.A.
Fahrdaten
Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 11,8 s
Durchschnittsverbrauch: 7,9 Liter/100 km
Reichweite: 920 km
CO2-Emission: 207 g/km
Kraftstoff: Diesel
Schadstoffklasse: EU6
Energieeffizienzklasse: k.A.
Kosten
Basispreis der Mercedes X-Klasse: 37 295 Euro
Grundpreis des Mercedes X250d 4Matic mit Automatik: 41 781 Euro
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer: 442 Euro/Jahr
Wichtige Serienausstattung
Sicherheit: Sieben Airbags, Brems- und Spurhalte-Assistent, Verkehrsschilderkennung
Komfort: Klimaanlage, Elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung
Spritspartechnik: Start-Stopp-Automatik

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke

(dpa)

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