Mercedes-Benz: Der Citaro unter Strom

Der meistverkaufte Stadtbus Europas fährt jetzt auch elektrisch. Schon nach der IAA Nutzfahrzeuge im Frühherbst soll es losgehen, nach der Premiere in Hannover wird der Citaro-Stromer produziert.

Eigentlich sollte es ja ein ganz normales Jahresabschlussgespräch werden. Mit hervorragenden Geschäftszahlen und Erfolgsbilanzen sind die Verantwortlichen der Omnibussparte von Daimler ja bestens vertraut. Aber damit nicht genug: Ziemlich hurtig haben die Schwaben noch ihren E-Bus-Erstling präsentiert. Und warum diese Eile? Die Stuttgarter haben die Konkurrenz in München im Visier. MAN feiert in der gleichen Woche die Weltpremiere der neuen Stadtbus-Generation. Dem Neuling die Schau stehlen, das wäre doch ein kleiner Geniestreich. Die Münchner zeigen ihren neuen Lion's City mit Dieselmaschine, Mercedes ist schon einen Schritt weiter.

Aber Mercedes ist auch nicht der Erste im elektrischen Revier. Solaris aus Polen oder VDL aus den Niederlanden sind eine gute Nasenlänge voraus, jedenfalls bisher. Aber man muss auch nicht der Erste sein, um sich die größten Marktanteile zu sichern. Bislang wurden die großen Claims im Elektrobus-Geschäft noch nicht verteilt. Und Mercedes möchte schon im Herbst starten, der Stadtbus-Marktführer nimmt bereits an allen wichtigen Ausschreibungen teil. Jedenfalls, wenn es um batterieelektrische Solobusse im 12-Meter-Format geht. Mit dem Gelenkbus lassen sich die Stuttgarter noch ein wenig Zeit, der soll erst 2019 starten.

Der Electric Citaro, so steht es auf dem Zielschild des hoffnungsfrohen Neulings, basiert auf dem Citaro-Niederflurbus. Natürlich pflegt der Hersteller die Plattformstrategie, schließlich braucht Mercedes nach wie vor auch andere Antriebsformen. Es ist auch längst kein Geheimnis mehr, dass der elektrische Omnibusantrieb mit Elektromotoren an den Radnaben erfolgt. Damit hat der Hersteller bereits gute Erfahrungen gemacht, die Komponente heißt AVE 130 und ist eine Niederflurantriebsachse mit integrierten E-Motoren, die Mercedes von ZF bezieht. Die Spitzenleistung der Motoren beläuft sich auf 2 x 125 Kilowatt und das verfügbare Drehmomentmaximum auf 2 x 485 Newtonmeter. Keine Zahlen, die einen vom Hocker hauen, aber immerhin: Volle Leistung und Kraft aus dem Stand, der E-Citaro ist ein flinker Beschleuniger. Die erste Mitfahrt zeigt auch gleich auf, dass der elektrische Citaro schon sehr gediegen läuft – kein bisschen provisorisch, sondern bereits sehr professionell. Genauso erwartet man einen neuen Mercedes und nicht anders.

Ein Gutteil der technischen Finesse von elektrischen Bussen steckt in den Batterien. Hier setzt Mercedes überraschend nicht auf hauseigene Produkte, sondern auf Akkumodule von Akasol. Die Zellen selbst stammen von Samsung, die zu je 15 zu 700-Volt-Batteriemodulen gebündelt werden. Maximal zehn solcher Module trägt der 12-Meter-Bus, vier im Heck und sechs auf dem Dach. Deren Gesamtkapazität beträgt maximal 243 Kilowattstunden, die, und hier machen die Omnibusprofis keine vollmundige Aussage, für gut und gern 150 Kilometer reichen. Die Techniker orientieren sich am SORT 2-Stadtfahrzyklus, einer anspruchsvollen Normrunde mit vielen Stopps, die bei Wind und Wetter funktionieren muss. Im Sommer kann damit das Tagespensum eines Stadtbusses ohne Zwischenladung bedient werden, an harten Wintertagen muss ein wenig fossil zugeheizt werden.

Ja, auch die richtige Heiz- und Klimatechnik entscheidet über die Reichweite einer Batterieladung. Und darauf haben die Mercedes-Techniker ein besonderes Augenmerk gerichtet. Der große Fahrgastraum des Citaro-Stadtbusses wird energiesparend durch eine Wärmepumpe beheizt. Wie gewohnt werden Seitenwandheizer und das Frontheizgerät versorgt, sämtliche Komponenten sind miteinander vernetzt, um den Energieaufwand auf ein Minimum zu reduzieren. Die Dachklimaanlage wird in der kalten Jahreszeit zusätzlich als Wärmepumpe genutzt. Weitere Vorzüge bietet die Verwendung des Kältemittels CO2. Es soll gerade bei sehr tiefen Temperaturen mit besonderer Effizienz überzeugen. Bereits während der Ladung der Batterien im Depot kann der Innenraum auf die gewünschte Temperatur vorkonditioniert werden – und sogar noch darüber. Somit startet der Bus betriebswarm im Innenraum oder bereits gekühlt.

Natürlich geht es auch um die richtige Ladetechnik. Hier erklärt Mercedes der Fachwelt, dass sich nicht jede Ladetechnik für jeden E-Bus eignet. Die Strategen des Hauses präferieren – übrigens auch die Verkehrsbetriebe – die Depotladung über Nacht. Dafür besitzt der Stadtbus einen Anschluss für Combo-2-Stecker an der Stelle, wo sonst der Tankeinfüllstutzen sitzt. Für die Vergrößerung der Reichweite kann nachgeladen werden, wenn der Kunde einen Stromabnehmer mitbestellt. Diese Option wird etwas zeitversetzt zum Serienanlauf nachgereicht. Zusätzlich wird natürlich rekuperiert, die beiden Elektromotoren arbeiten beim Bremsen als Generatoren und speisen mit dem Bremsstrom die Batterien.

Auch beim Gewicht kann Mercedes keine Wunder vollbringen. Der elektrisch angetriebene Citaro wiegt leer aber fahrfertig etwa 13,7 Tonnen, somit knapp zwei Tonnen mehr als sein Dieselkollege. Voll ausgelastet darf er 19,5 Tonnen wiegen, dann hat er 80 Fahrgäste an Bord. Gewiss ein paar weniger als mit Dieselverbrenner, aber immerhin praxisgerecht. Die Techniker des Hauses setzen auf eine schnelle Entwicklung der Batterietechnik, die dann in mehr Kapazität und weniger Gewicht münden soll. Die aktuelle Technik geht nach intensiven Tests, Sommer wie Winter, an den Start. Er gehört zur Citaro-Familie und ist dem Erfolg verpflichtet. Bei Mercedes ist man überzeugt vom neuen Produkt, der Citaro-Stromer soll den Elektrobus auf ein neues Niveau hieven.


Quelle: GLP mid

(dpa)

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