Stuttgart – Alte Autos werden immer teurer. Auf 4,4 Prozent beziffert der Verband der Automobilindustrie VDA den durchschnittlichen Preisanstieg bei Oldtimern allein im vergangenen Jahr.
«Der Markt boomt», heißt es zur Eröffnung der Retro Classics, der europaweit größten
Oldtimer-Messe, am Donnerstag (2. März) in Stuttgart. Ob der legendäre Mercedes 190 SL, der klassische Porsche 911 oder die rasanten italienischen Ferrari-Flitzer – es herrscht Goldgräberstimmung. Immer wieder wird die Frage gestellt: Sind die betagten Nobel-Karossen ein Ersatz für Aktien?
1600 Aussteller sind in Stuttgart dabei, Joachim Stickel ist einer von ihnen. «Pagoden-Center» heißt sein Geschäft in Rutesheim (Landkreis Böblingen). Stickel ist bester Stimmung. Vor ihm steht ein Mercedes 280 SL aus den 80er-Jahren. Der Wagen ist eine Augenweide, der Lack glänzt wie am ersten Tag, alles picobello, Kaufpreis: 180 000 Euro. Das ist alles andere als ein Spitzenpreis in Stuttgart.
Im Grunde sei das mit der Wertsteigerung ganz einfach, meint Stickel. «In den letzten zehn Jahren haben sich die Preise verdoppelt.» Vom Oldtimer als Wertanlage rät er trotzdem ab: Die Unterhaltungskosten seien einfach zu hoch. «Und außerdem: Spaß muss dabei sein, ohne Spaß geht es nicht.» Das hört man oft in Stuttgart.
Deutschlandweit sind rund 380 000 Autos als Oldtimer zugelassen. Großer Vorteil des Sonderstatus, so Stefan Röhrig vom Verband der Automobilindustrie VDA: «Du kannst in die Umweltzonen der Großstädte fahren. Das wird heute von immer größerer Bedeutung.» Das gelte auch für alte Diesel.
Das klinge zwar erst einmal eigenartig, fügt der Fachmann hinzu. «Doch man muss wissen: Der Diesel-Anteil unter den Oldtimern ist extrem gering.» Zudem fahren die Fans erfahrungsgemäß nur sehr wenig mit ihren alten Karossen – meist nur zwischen 1500 und 2000 Kilometern im Jahr. «Da hält sich die Schadstoffbelastung in Grenzen.»
Für den Boom der Oldtimer gibt es viele Gründe. «Das ist noch echtes Fahren», meint etwa Messebesucherin Rita Kepler (52). Mit Schaltgetriebe, ohne «Fahrassistenten» und ohne Computer-Unterstützung. «Fahren pur eben», wie das die Fans gerne nennen.
Eine weitere Ursache des Booms nennt Christoph Schlagenhauf von «Boxer Motor» aus Dotternhausen (Zollernalbkreis). «Es gibt in unserer Gesellschaft eben Leute mit Geld.» «Boxer Motor» hat sich auf klassische Porsche spezialisiert. «Früher fuhren Leute einen alten Porsche, weil sie sich keinen neuen leisten konnten.» Heute sind die alten Modelle viel zu teuer. Der legendäre luftgekühlte Porsche 911 und der Porsche-Sound sind längst Kult, Preise hoch in den Hundertausenden keine Seltenheit. «Phänomen Porsche», nennen das Experten, mitunter aber auch: «schlichtweg Wahnsinn».
Trotz teilweise schwindelerregender Preise lehnt auch Schlagenhauf einen Kauf als reine Investition ab. «Ich bin doch kein Anlageberater», sagt der junge Mann mit Empörung in der Stimme. Da fehle ihm das Herz. Oldtimer hätten etwas mit Lebensgefühl und Begeisterung am Fahren zu tun. Sie seien eben kein «Garagengold», meint Messe-Geschäftsführer Karl-Ulrich Herrmann, «denn anders als Aktienpakete müssen Automobile regelmäßig bewegt werden». Viele Fans und Händler teilen seine Meinung.
Glitzernde Karossen, schnittige Sportwagen, über 3 300 Autos sind bei den Retro Classics bis zum 5. März zu sehen. Viele Besucher richten ihr Augenmerk auf die spektakulären Hingucker und Exoten, die legendären Mercedes-Sportwagen-Modelle der 50er- und 60er-Jahre oder auf die roten Ferraris aus Italien. «Doch das ist nicht die echte Oldtimer-Szene», weiß Röhrig vom VDA.
«Die echte Oldtimer-Szene, das sind die Brot- und Butter-Autos, an die man sich aus der Kindheit erinnert.» Das mit großem Abstand am meisten zugelassene Alt-Vehikel etwa ist – der VW Käfer. Hier ist die Preislage auch etwas anders. In Stuttgart ist etwa ein gut erhaltener Käfer Jahrgang 1950 zu sehen. Ein wahres Prachtexemplar, mit geteilter Heckscheibe, Verhandlungsbasis 35 000 Euro.
Es gibt also eine Oldtimer-Welt auch unterhalb der 100 000-Euro-Marke. Der Durchschnittspreis für Oldtimer liegt laut Röhrig gar bei knapp unter 15 000 Euro – da spielt dann auch die Frage der Wertanlage nicht so eine große Rolle.
Der Wagen mit dem größten längerfristigen Wertzuwachs ist laut VDA-Index übrigens weder ein Porsche, noch ein Ferrari, sondern der VW-Bus Typ 2 T2 («Bully»). Der war 1999 umgerechnet noch für schlappe 4000 Euro zu haben – jetzt koste er rund 28 000 Euro.
Und auch die Nummer zwei der Top-Liste dürfte Laien überraschen – es ist der Citroen 2CV6, die legendäre «Ente», ein Gefährt mit 28 PS. 1999 kostete das einstige Studenten-Kultauto umgerechnet rund 2000 Euro, heute ist es im Schnitt für knapp 12 000 Euro zu haben. Die «Enten», die früher allzu oft der Rost fraß, sind heute Rarität. In Stuttgart ist ein wunderschönes Modell zu sehen: Leuchtend rot, «scheckheftgepflegt». Es soll 18 800 Euro kosten.
Erst an dritter Stelle kommt dann das große Luxus-Sportauto, das Highlight jeder Oldtimermesse. Der legendäre Mercedes 300 SL. Der Flitzer mit den Flügeltüren kostet heute rund eine Million Euro.
(dpa)