Pforzheim (dpa/tmn) – Matthias Fink hat einen Volltreffer gelandet. Der junge Mann hatte gerade erst im Audi-Design angefangen, und gleich sein erster Entwurf wurde als Vorlage für den kleinen Geländewagen Q2 ausgewählt. Viel Zeit für andere Projekte blieb ihm in den letzten Jahren eher nicht.
Zuvor sah das anders aus. Denn Fink war in einem Außenstudio der VW-Tochter in München tätig. Dort arbeiten die Audi-Designer nicht nur an den Autos der Zukunft, sondern auch an Objekten aus dem Bereich des Industrial Designs. Das Portfolio reicht von einem Konzertflügel im Audi-Look über Carbon-Skier und Fahrräder bis hin zu Fotoapparaten, Tischfußball-Geräten und Kaffeemaschinen.
«Nicht immer steht am Ende das Label Audi Design auf den Produkten», sagt Fink. Doch viele der Münchner Entwürfe wie etwa die Systemkamera Leica T kann man tatsächlich kaufen. Genau wie natürlich die ganzen Devotionalien und Accessoires aus der offiziellen Audi-Kollektion, die vielfach von den eigenen Designern entworfen werden.
Eine ähnliche Entwicklung gibt es bei den meisten Autoherstellern. Immer öfter präsentieren die Designer dort nicht nur neue Autos, sondern gleich auch die passenden Begleitartikel. Zum Beispiel eine Serie von Mercedes-Sonnenbrillen pünktlich zum Start des neuen Cabriolets der S-Klasse. Nach dem Vorbild von ausgelagerten oder ganz eigenständigen Firmen wie Designworks von BMW oder Porsche Design treten die Kfz-Kreativen auch als Design-Dienstleister auf und bringen Auftragsarbeiten in Form.
Bei Mercedes hat man nach Angaben von Designchef Gorden Wagener eigens den Ableger Mercedes-Benz Style gegründet. Nach Interieurs für Hubschrauber und Privatflugzeuge, debütiert gerade die erste selbst entworfene Luxusyacht. Mit Luxusappartements wollen sie auch ein kreatives Händchen für im-mobile Gestaltungsaufgaben beweisen.
Gerade diese Kontraste machen für die Autodesigner den Reiz und den Wert solcher Abwege aus, sagt Lutz Fügener. Er ist Design-Professor an der Fachhochschule Pforzheim. «Natürlich sind da auch mal ein paar weniger tiefgründige Ideen dabei», sagt er. Und oft gehe es einfach nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen, den Namen im Gespräch zu halten oder aus der Marke mehr Kapital zu schlagen. Doch vielfach sei die Beschäftigung mit anderen Bereichen inspirierend und bringe die Designer auf neue Ideen.
Wie fruchtbar die Fremdgänger sein können, haben laut Fügener längst auch die Konzern-Vorstände erkannt. Sie wissen nicht nur um die Millionen, die mit erfolgreichen Fremdaufträgen verdient werden können, sondern auch um den kreativen Input, sagt der Professor. Er belegt das mit einer Personalie aus München: Nicht umsonst hätte BMW mit Adrian van Hooydonk einen Designchef berufen, der vorher das auf eben solche abwegigen Arbeiten spezialisierte Tochterunternehmen Designworks geleitet hat. Der Ableger mit Studios in Kalifornien, Schanghai und München arbeitet nach Angaben einer Pressesprecherin für zahlreiche Branchen. So hat man auch schon First-Class-Sitze für Linienflugzeuge, Mobiltelefone, Füllfederhalter oder Nahverkehrszüge entworfen.