Grasse – Eigentlich war Jochen Mass in die See verliebt. Der einstige Formel-1-Pilot wollte ursprünglich Kapitän werden. «Schiffe geben mir viel, sie haben Seele», erzählte Mass der Deutschen Presse-Agentur.
«Ich hatte aber eine überzogene Vorstellung von der Seefahrt.» Mass, dessen Großvater Kapitän war, arbeitete in jungen Jahren dennoch erstmal als Seemann bei der Handelsmarine.
Mit einer Mechaniker-Lehre nahm aber dann seine Motorsport-Karriere ihren Lauf. 105 Formel-1-Rennen folgten für den Mann aus Dorfen bei München, acht Podiumsplätze und sogar ein Sieg. «Das ist so, als ob man ein Tor in seiner Länderspielkarriere geschossen hat», meinte Mass, der 1975 erst der zweite deutsche Grand-Prix-Sieger nach Wolfgang Graf Berghe von Trips war. An diesem Freitag feiert Mass, der in der Nähe von Grasse lebt, seinen 70. Geburtstag.
Mass erlebte 1973 zunächst einen kurzen Einstand in der Formel 1. In seinem Surtees schied er nach einer Massenkollision bereits in der ersten Runde aus. Auch sein einziger Sieg in der Königsklasse war überschattet von einem schweren Unfall. Auf dem Stadtkurs von Montjuic in Barcelona kam Rolf Stommelen im April 1975 mit seinem Hill von der Strecke ab und schoss in die Zuschauermenge. Mehrere Menschen starben. Es war eine hochgefährliche Zeit im Motorsport.
«Es klingt natürlich ein bisschen blöd, aber die Gefahr gehörte für einen Rennfahrer dazu. Man hat es getan, weil man es so wollte», sagte der frühere McLaren-Pilot Mass, der 1989 auch den Langstreckenklassiker von Le Mans gewann. «Ich würde das Gefühl der Gefahr nicht als rein negativ beschreiben.» Durch das Bewusstsein für Gefahr ließen sich gewisse Aufgaben erst umsetzen.
Der Tod von Gilles Villeneuve schmerzt Mass noch heute. Der Kanadier starb im Mai 1982 bei einem Horrorunfall im belgischen Zolder. Der vorausfahrende March-Pilot Mass wollte Villeneuve Platz machen, wählte jedoch jene Spur, auf der sein Rivale vorbeiziehen wollte. Villeneuve fuhr auf, überschlug sich mit seinem Ferrari und wurde folgenschwer aus seinem Wagen geschleudert.
«Ich wusste, ich bin nicht wirklich schuld, weil er ein übertriebenes Risiko eingegangen ist», sagte Mass. «Diese schlimme Erinnerung vergeht aber nicht mehr.» Die Kollision mit Villeneuve ist eine der Gründe, warum Mass kurz darauf aus der Formel 1 aussteigt.
Mass ist Vater zweier Töchter und zweier Söhne, außerdem dreifacher Großvater. Noch immer fährt er Oldtimer- und Klassikerrennen. Die Formel 1 verfolgt der frühere TV-Experte weiter mit «kritischem Interesse». Mercedes-Pilot Nico Rosberg traut Mass in diesem Jahr den Weltmeistertitel zu. «Ich hoffe es sehr, dass er es schafft. Er hat es sich verdient», sagte Mass. «Lewis (Hamilton) war in den vergangenen zwei Jahren mental stärker. Jetzt ist aber Rosberg dran.»
Trotz seines Hochgeschwindigkeitslebens wusste Mass die Muße stets zu schätzen. «Ich konnte Ruhe und Stille immer schon genießen, das war ein absolutes Muss», betonte er. «Nur hektisches Treiben geht nicht. Wir leben ja in einer Welt, in der es niemals ganz ruhig ist.»
Seinen 70. Geburtstag wird Mass, der seit 1994 in zweiter Ehe mit Bettina verheiratet ist, in Südafrika mit der Familie verbringen. «Was ich rings um mich herum habe, darüber kann ich mich sehr, sehr glücklich schätzen», sagte Mass mit Blick auf seine Liebsten.
Hintergrund:
In der Formel-1-Geschichte gab es bislang nur sieben deutsche Grand-Prix-Sieger. Jochen Mass ist einer von ihnen. 1975 war er der erst zweite Deutsche insgesamt nach Wolfgang Graf Berghe von Trips.
Die deutschen Grand-Prix-Sieger:
Fahrer | Rennen | Siege | |
1. | Michael Schumacher | 306 | 91 |
2. | Sebastian Vettel* | 172 | 42 |
3. | Nico Rosberg* | 200 | 22 |
4. | Ralf Schumacher | 180 | 6 |
5. | Heinz-Harald Frentzen | 157 | 3 |
6. | Wolfgang Graf Berghe von Trips | 27 | 2 |
7. | Jochen Mass | 105 | 1 |
*noch aktive Fahrer
(dpa)