Köln/München – Noch vor rund 15 Jahren galten Doppelkupplungsgetriebe oder Wandlerautomaten mit fünf Stufen als sehr sportlich. Heute sind sie Standard. Hersteller wie Ford, Mercedes, VW und ZF bauen Getriebe mit immer mehr Gängen.
Beim neuen Ford Mustang etwa wechselt optional eine Zehngang-Automatik die Gänge. «Mehr Gänge helfen, im optimalen Drehzahlbereich zu bleiben, so eine bessere Beschleunigung und dadurch mehr Effizienz zu erreichen», sagt Ian Oldknow, Getriebeentwickler bei Ford. Anders als üblich legt das Automatikgetriebe nicht direkt den nächsthöheren Gang ein, sondern wählt sich einen aus, der am besten zur jeweiligen Fahrsituation passt. So kann der Mustang im zweiten Gang anfahren und schaltet dann direkt in den vierten. Dieser sogenannte Skip Shift wird durch eine Elektronik gesteuert, die mit Hilfe verschiedener Fahr- und Motorparameter die richtige Stufe findet.
Jeder Motor benötigt ein Getriebe, ganz gleich ob Verbrenner, Hybrid oder Elektrofahrzeug. «Ohne Gänge wäre die Drehzahl des Verbrennungsmotors fest an die Geschwindigkeit des Fahrzeugs gekoppelt. Will man die Motordrehzahl bei einer gegebenen Geschwindigkeit variieren, benötigt ein Fahrzeug eine Gangschaltung», sagt Professor Karsten Stahl, Leiter der Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebebau (FZG) an der TU München.
Je mehr Gänge, desto mehr mögliche Übersetzungen stehen zur Verfügung, um die Motordrehzahl bei einer gegebenen Geschwindigkeit optimal auszuwählen. Zum Beschleunigen benötige das Auto eine möglichst hohe Drehzahl im Bereich der maximalen Leistung des Motors, «für niedrigen Spritverbrauch die Drehzahl mit dem geringsten spezifischen Verbrauch und für ein angenehmes akustisches Verhalten eine niedrige Drehzahl bei hohen Geschwindigkeiten», sagt Stahl.
Getriebe mit acht Gängen und einer vernünftigen Spreizung erfüllen heutige Anforderungen schon optimal. «Ein oder zwei Gänge mehr schaden nicht, bringen aber aus technischer Sicht nicht unbedingt etwas», sagt Stahl. Denn jeder Gangwechsel sei mit Energieaufwand verbunden.
In den Schaltelementen und Kupplungen gehe mechanische Energie durch Reibung verloren, und Aktoren benötigen zusätzliche Energie. Denn die wandeln elektrische Steuersignale in mechanische Bewegung um.
Aus heutiger Sicht reichen sieben bis neun Gänge, abhängig von der Leistungsfähigkeit des Antriebsstrangs und der Fahrzeugplattform, meint auch Marcus Sommer, Projektleiter Entwicklung Automatgetriebe bei Mercedes. Die Stuttgarter setzen beide Getriebearten ein: Bei den Kompakten mit Frontantrieb Doppelkupplungsgetriebe und bei Längsmotoren in großen Fahrzeugen wie SUVs Wandler-Planetenautomatikgetriebe.
Planetenradgetriebe sind kompakt. Diesen Vorteil spielen sie bei hohen Drehmomenten aus. «Der Drehmomentwandler bietet den höchsten Anfahr- und Rangierkomfort», sagt Bernd Vahlensieck, Leiter der Vorentwicklung Antrieb bei ZF. Moderne Wandlerautomatikgetriebe sind effizient, auch im Vergleich zu manuellen Schaltgetrieben.
In Sachen Schaltdynamik bewegen sie sich auf dem Niveau von Doppelkupplungsgetrieben. Nachteil: Aktuell drehen Planetengetriebe nicht so hoch wie Doppelkupplungsgetriebe, wiegen meist aber mehr und sind größer.
«Mit acht Gängen im Standardantrieb und neun Gängen für Front-Quer-Motoren sind wir schon heute im Bereich des Optimums angekommen», sagt Vahlensieck. Technisch wären mehr Gänge möglich, allerdings kontraproduktiv, da sich durch Mehraufwand am Getriebe kaum Potenzial aus Verbrennungsmotoren herausholen ließe. «Weitere Gangstufen würden nur minimale Vorzüge bei der Spreizung und Stufung bringen, wären aber durch mehr Gewicht und mehr Verlustleistung, wie durch mehr Schaltvorgänge, zu erkaufen», sagt Vahlensieck.
Der wichtigste Trend sei künftig die Elektrifizierung von Autos. «Viele Aspekte wie Komfort, Bauraum und Kosten sprechen für die Ein-Gang-Variante im Elektroauto», sagt Vahlensieck. «Ein Zahnradgetriebe mit einer festen Übersetzung passt die hohen Drehzahlen des E-Motors an das niedrigere Niveau der Radgeschwindigkeit an.» Mehrere Gänge können die Effizienz der E-Maschine nicht wesentlich verbessern. Das Wettrüsten mit mehr Gängen hätte dann ein Ende, und weniger wäre mehr.
(dpa/tmn)