Mainz – Die schwächsten Verkehrsteilnehmer haben es satt, allen ausweichen zu müssen. «Fußgänger sind die stadt- und umweltverträglichsten Verkehrsteilnehmer, darum sollen sie Sicherheit und Vorrang haben», sagt Roland Stimpel vom Vorstand des Fachverbands Fußverkehr Deutschland.
Die 1985 gegründete Initiative strebt unter dem kurzen Namen Fuß e.V. die Entwicklung kommunaler
Fußverkehrsstrategien an. Als erste Modellstadt in Rheinland-Pfalz nimmt jetzt Mainz an einem bundesweiten Projekt dafür teil. Auch Trier betrachtet den Fußverkehr in seinem «Mobilitätskonzept 2025» als einen zentralen, mit den anderen Verkehrsträgern gleichberechtigten Baustein.
«Fußverkehrs-Check»
Bei einem öffentlichen «Fußverkehrs-Check» in Mainz haben jetzt etwa 20 Teilnehmer 14 ausgewählte Stationen in der südlichen Altstadt genau betrachtet. «Ich bin leidenschaftlicher Fußgänger», sagt einer von ihnen, der Neustadt-Bewohner Günther Anderer. In Mainz könnten nahezu alle Wege gut zu Fuß zurückgelegt werden. Aber er ärgert sich über die «Selbstermächtigung» vor allem von Fahrradfahrern, die vor dem Autoverkehr auf den Straßen auf Gehwege ausweichen. «Das ist ein großes Problem für Fußgänger, wie unverschämt und dreist Radfahrer einfach auf Gehwegen fahren.» Auch E-Scooter-Fahrer nutzten entgegen der Bestimmungen oft die Gehwege, kritisiert der Mainzer. Mit mehr Achtsamkeit und Einhaltung der bestehenden Regeln wäre viel gewonnen.
Konflikte zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern seien bei allen bisherigen «Fußverkehrs-Checks» ein großes Thema gewesen, sagt Patrick Riskowsky, der zusammen mit Bertram Weisshaar den Rundgang durch die Mainzer Altstadt leitet. «Der Hauptgrund ist darin zu suchen, dass der Autoverkehr zu viel Platz einnimmt, so dass sich Fußgänger und Fahrradfahrer den verbleibenden Raum teilen müssen.»
Die Mainzer Verkehrs- und Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) will den Fahrradverkehr weiter fördert, unterstützt aber auch die Entwicklung einer Fußverkehrsstrategie. «Der Fußverkehr ist eine der wichtigen Verkehrsarten in der Stadt, geht aber leider bundesweit zurück», sagt sie zu Beginn der Begehung. «Wir wollen dieser Entwicklung etwas entgegensetzen.» Daher sei es wichtig, Stellen in der Stadt zu betrachten, «die noch nicht so optimal für Fußgänger sind».
Hindernisse
In der verkehrsberuhigten Schönbornstraße mitten in der Altstadt ist das etwa eine Waschmaschine, die jemand auf dem Trottoir abgestellt hat – so nennen die Mainzer mit ihrer französischen Vergangenheit gern den Gehweg. Ein paar Meter weiter steht ein parkendes Auto den Fußgängern im Weg. Teilnehmer kritisieren, dass dort regelmäßig die für Rollstuhlfahrer abgesenkten Bordsteine zugeparkt werden. Auch das historische Kopfsteinpflaster der Straße stößt auf Kritik – auch wenn dessen Erhaltung mit anderen Argumenten gerade gewünscht ist. Nach Betrachtung dieser Station kreuzen die meisten Teilnehmer ein einfaches oder ein doppeltes Minus auf ihrem Bewertungsbogen an.
Pluspunkte verteilen die kritischen Fußgänger viel weniger auf ihrem Rundweg. An einem Übergang der Holzhofstraße wirbt der Sachgebietsleiter für Verkehrsmanagement im Stadtplanungsamt, Christian Kron, dass diese Lösung mit Bedarfsampel und Mittelinsel doch ausgesprochen fußgängerfreundlich sei: «Eine signalgesteuerte Querung ist das Optimum, das wir als Verkehrsplaner anbieten können.» In einer teilweise erregten Diskussion am Straßenrand wird aber bemängelt, dass ein eigentlich aufgehobener Radweg noch sichtbar ist, mit verblassenden roten Steinen und einem noch erkennbaren Piktogramm. «Das ist einfach eine unklare Situation für Fußgänger», sagt ein Teilnehmer.
Auch ADAC und ADFC sind beim «Fußverkehrs-Check» dabei.
«Uns liegen alle Verkehrsarten am Herzen», sagt Herbert Fuss, Leiter der Abteilung Verkehr und Technik beim ADAC Mittelrhein in Koblenz. «Konfliktsituationen sind immer unfallträchtig, deshalb muss die Verkehrsplanung bestrebt sein, unklare Situationen zu vermeiden.» Für den ADFC sagt die stellvertretende Landesvorsitzende Amelie Döres, den Fahrradfahrern sei sehr an einem guten Einvernehmen mit Fußgängern gelegen. «Ohne gegenseitige Rücksichtnahme geht es nicht, wenn man sich den engen verfügbaren Raum im Verkehr teilen muss.»
Überwiegend gute Noten bekommt der Zebrastreifen vor dem Bahnhof Römisches Theater. Bis der von Blindenhund Mister X geführte Fachberater Wolfgang Schweinfurth anmerkt, dass für Sehbehinderte der Übergang vom Gehweg zur Fahrbahn nicht erkennbar ist, weil die Rillen für das vom Bahnhof ausgehende Blindenleitsystem vorher aufhören. Verkehrsdezernentin Eder hört aufmerksam zu und antwortet sofort: «Sie haben Recht. Wir machen das.»
(dpa)