In Stuttgart geht es eben anders zu als in Düsseldorf. Im Gegensatz zu den zehn kleinen Jägermeistern der Rockband "Tote Hosen", deren Zahl sich aufgrund diverser Fehlentscheidungen drastisch reduziert, wächst die Modellpalette von Elektroautos bei Daimler in fast atemraubendem Tempo.
Mit seiner "Road to the Future" avisiert der Autobauer bis 2022 mehr als zehn rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Nach den Worten von Daimler-Vizechef Ola Källenius wird es in jeder Baureihe außerdem wenigstens eine elektrifizierte Variante geben. Gemeint sind damit Plugin-Hybrid-Autos, mehr als 50 werden das wohl werden. Dass die Marke smart mit ihren hauptsächlich für den urbanen Verkehr prädestinierten Modellen nahezu vollständig auf den Verbrennungsmotor verzichten will, erscheint dabei mehr als folgerichtig. Bereits in jüngerer Vergangenheit haben die Stuttgarter ohnehin mit Investitionen die Ernsthaftigkeit ihrer Absichtserklärung untermauert. Mitte 2018 wird die gerade in Bau befindliche Batteriefabrik in Kamenz, rund 50 Kilometer von Dresden entfernt, ihren Betrieb aufnehmen.
Leistungsfähige Batterien sind eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass rein elektrisch angetriebene Automobile beim Kunden akzeptiert werden. Daimler arbeitet deshalb derzeit an einem Netzwerk für Batterieproduktion, das letztlich fünf Produktionsstätten auf drei Kontinenten umfassen wird. Nachdem die Lithium-Ionen-Technik der Akkus 2009 einen ersten Durchbruch bei der Speicherkapazität und Leistungsfähigkeit ermöglicht hat, geht es nun um die Optimierung dieser Batterietechnik. Sogenannte Post-Lithium-Ionen-Systeme stehen heute schon im Fokus der Entwickler, sie befinden sich allerdings noch in der Phase der Labormuster. Mit ihnen ist erst Mitte der nächsten Dekade zu rechnen.
Aus heutiger Sicht ist noch nicht klar, ob Zellen mit Festkörper-Elektrolyten, Lithium-Metall-Anoden oder Lithium-Schwefel-Verbindungen folgen werden. Allerdings erwarten die Batterie-Forscher und -Entwickler bei Daimler mit der neuen Technik eine wesentliche Kostenreduzierung. Neben der höheren Energiedichte erwarten sie ein Kostenniveau von 100 Euro je kWh, was den Preis für eine Hochleistungsbatterie halbieren dürfte.
Parallel verfolgen die Stuttgarter die Entwicklung einer modellübergreifenden Elektrofahrzeug-Architektur für batteriegetriebene Autos. Das erste Serienmodell dieser Familie der neuen Produktmarke EQ, soll bereits 2019 im Werk Bremen vom Band rollen, der EQC wird mit jeweils einem Elektromotor an der Vorder- und der Hinterachse eine Systemleistung von mehr als 200 kW bereitstellen. Dank der variablen Momentenverteilung des permanenten Allradantriebs zwischen beiden Achsen lässt sich das Fahrverhalten auf die jeweiligen Vorlieben des Fahrers abstimmen.
Dritter Schwerpunkt der Elektromobilitäts-Initiative bei Daimler ist die Verbesserung der Lade-Infrastruktur. Dabei beteiligt sich das Unternehmen nicht nur am Ausbau des Ladestation-Netzes, auch die Technik wird leistungsfähiger und soll Ladezeiten deutlich verkürzen. Das kombinierte Wechselstrom-Gleichstrom-Verfahren (Combined Charging System, CCS) soll ab 2018 sukzessive in den Elektroautos mit dem Stern eingeführt werden. Damit lassen sich je nach Batterie und Fahrzeug Ladeleistungen von 150 kW erzielen. Was den Vorgang auf wenige Minuten reduziert. Langfristig sind sogar Leistungen bis 350 kW möglich, das würde die Ladezeit in die Nähe der Betankung eines herkömmlichen Automobils mit Verbrennungsmotor rücken.
Auch die Nutzfahrzeugsparte von Daimler setzt auf Elektrifizierung. Transporter, Busse und Lastwagen können für bestimmte Einsätze zu Stromern werden. Was den in Anbetracht zunehmender Internet-Einkäufe der Verbraucher stark ansteigenden Lieferverkehr deutlich leiser machen und so urbane Lebensqualität erheblich steigern würde.
Bei aller Aufbruchsstimmung bleibt der gute alte Verbrennungsmotor nicht außen vor. Mit High-Tech-Komponenten wie 48-Volt-Bordnetz, integrierten Starter-Generatoren und Partikelfiltern auch für Benziner hat diese Antriebsart noch lange nicht ausgedient. Auch wenn die nächste Generation von E-Fahrzeugen ihren konventionell motorisierten Artgenossen kaum mehr nachstehen dürfte.
Michael Kirchberger / mid
Quelle: GLP mid