Paris – Schmächtige Schnauferl aus den Vorkriegsjahren, sportliche Coupés im Art Deco-Design und Rennwagen mit legendären Siegen – auf den Rasen des berühmten Golfclubs in Pebble Beach in Kalifornien schaffen es zum Concours d’Elegance jedes Jahr im August nur verdiente Oldtimer.
Doch noch bevor drinnen das Schaulaufen der Klassiker beginnt, rücken die Autohersteller draußen ihre schönsten Neuheiten ins Rampenlicht. So zeigt Mercedes hier die Weltpremiere einer Maybach-Studie. Das liegt im Trend: Weil die Hersteller mit ihren weit verästelten Modellpaletten immer mehr Neuheiten präsentieren müssen und zugleich das Besucherinteresse an den klassischen Automessen nachlässt, bespielen sie zunehmend exotische Premieren-Bühnen.
Davon kann auch Lord March ein Lied singen. Der Graf aus Südengland veranstaltet jedes Jahr im Frühsommer auf seinem Landsitz in Goodwood das Festival of Speed und zelebriert dort auch eine «Moving Motorshow». Neben verdienten Rennwagen treten deshalb bei ihm zahlreiche neue Autos zum legendären Hillclimb an – in diesem Jahr etwa der Supersportwagen Mercedes AMG GT R oder der neue Bugatti Chiron. Diese Jungfernfahrten vor über 200 000 Zuschauern sind bei den Herstellern so beliebt, dass sie mittlerweile sogar noch getarnte Prototypen auf die Piste schicken, um Aufmerksamkeit zu wecken. «Man muss Autos im Fahren sehen, muss sie hören und riechen und nicht einfach nur anschauen», sagt Lord March.
Dass Klassiker wie der Pariser Salon im Oktober an Interesse einbüßen, ist für Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer teils auch ein hausgemachtes Problem. «Die Spannung dort ist überschaubar», sagt der Professor an der Universität Duisburg-Essen. Während auf Elektronikmessen wie der CES im Januar in Las Vegas die großen Themen der Zeit wie das automatisierte Fahren und die Digitalisierung gespielt würden, finde man auf den konventionellen Messen nur «vier Räder am Stück». «Das konnte man vor 20 Jahren machen. Aber heute braucht es zündenden Ideen, um Spannung zu erzeugen.»
Bei der Suche nach Alternativen ist die Branche überaus kreativ. Selbst Veranstaltungen wie die Fashion Week in Berlin hat sie bereits für sich entdeckt. Und in Mailand vergeht keine Möbelmesse, auf der nicht mindestens eine Designstudie mit vier Rädern gezeigt wird – in diesem Jahr zum Beispiel der Toyota Setsuna. 2013 war dort der Renault Twin’z der Vorbote des Twingo.
Und immer öfter bitten die Hersteller deshalb zu eigenen, sogenannten «statischen Premieren» an vermeintliche coole Event-Locations. Der neue Porsche Panamera im Motoren-Werk Berlin, die Mercedes S-Klasse in den Airbus-Hallen in Hamburg oder die jüngsten Mini- oder Rolls-Royce-Studien im Roundhouse zu London: Wenn man keinen passenden Event findet, so scheint es, macht man sich einen. Und wer dabei nicht nur ausgewählte Gäste, Journalisten oder Analysten erreichen will, engagiert sich bei Fan-Festen vor großem Publikum.
So hat VW viele sportliche Neuheiten bei den GTI-Treffen am Wörthersee enthüllt oder Smart zum Beispiel das Cabrio zum ersten Mal beim Kundentreffen «Smart Times» in Budapest gezeigt. Das hat eine lange Tradition, die auf die Motorama-Shows aus den 50er Jahren zurückgeht. Damals ist der GM-Konzern nach Angaben des Unternehmensarchivs in Detroit mit einem eigenen Autozirkus durchs Land gezogen und hat damit bei Gastspielen etwa im New Yorker Walldorf Astoria Hotel alleine über 600 000 Menschen angezogen.
Auch das Spektakel auf der Monterey Halbinsel in Kalifornien ist nicht neu, erklärt Marcus Herfort, der jedes Jahr die Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein ausrichtet: Ins Leben gerufen wurde der Concours d’Elegance in der Gründerzeit des Autos «vor allem, um in einem besonderen Rahmen mit Tänzerinnen und Gourmetküche die Kauflust jener zu wecken, die eigentlich schon genügend Autos hatten».
(dpa/tmn)