London – Machtkämpfe gehören für Bernie Ecclestone zum Tagesgeschäft.
Der 85 Jahre alte Brite hat sich in seiner Zeit als Chefvermarkter der Formel 1 heftig mit Streckenbetreibern, Teamchefs, Rennställen, Präsidenten des Motorsportweltverbandes und vor wenigen Jahren sogar mit der Justiz herumgestritten. In der Regel ging es um Geld und Macht – Spezialgebiete des Engländers.
Ohne Ecclestone läuft in der Formel 1 im Grunde noch immer nichts, das hat auch der neue Besitzer Liberty Media erkannt. Ecclestone wird vorerst weiter als Geschäftsführer im Amt geduldet. Nach zwei oder drei Jahren werde er es vielleicht ein bisschen ruhiger angehen lassen, kündigte er an. Schwer zu glauben. Erstmal dürfte sich Ecclestone seinem nächsten Machtkampf mit dem neuen Formel-1-Vorstandschef Chase Carey stellen müssen.
Die Königsklasse des Motorsports ist Ecclestones Lebenswerk. Von Mitbestimmung hält er nicht viel. «Demokratie ist nicht der richtige Weg, um jegliche Art von Geschäft zu führen. Man braucht jemanden, der das Licht anknipst und wieder ausmacht», dozierte der streitbare Machtmensch einmal. Denkt man an die Formel 1, hat man unweigerlich auch das Bild Ecclestones vor Augen. Ein grauhaariger Mann, kaum 1,60 Meter groß, der fast schon unauffällig durch das Fahrerlager spaziert, stets in weißem Hemd, schwarzer Hose und mit Schnallenschuhen.
Der Engländer übernahm die kommerzielle Kontrolle der Formel 1 Ende der 70er Jahre. Ecclestone hat den aufregendsten Kreisverkehr der Welt zu einer sündhaft teuren Marke gemacht und eroberte mit ihr neue Märkte. Vor Gastspielen in autokratisch regierten Ländern, in denen Menschenrechte verletzt werden, schreckte Ecclestone nicht zurück.
Für ihn muss immer die Rechnung stimmen. So machte Ecclestone die Anteilseigner reich und sich zum Multimilliardär. «Unterm Strich hat er die Formel 1 zu dem gemacht, was sie heute ist», würdigte der viermalige Weltmeister und Ferrari-Star Sebastian Vettel einmal die Lebensleistung des gerissenen Chefvermarkters.
Ecclestone kam als Sohn einer Arbeiterfamilie zur Welt. Schon als kleiner Junge handelte er mit praktisch allem, was er in die Finger bekam. Sein erstes großes Geld machte er als Gebrauchtwagenverkäufer. Jahrzehnte später saß Bernard Charles Ecclestone mit Politikern am Verhandlungstisch und feilschte um Millionenbeträge. Für Russlands Wladimir Putin gab er sogar seine sonstige Gepflogenheit auf, die Rennen noch vor der Zielflagge zu verlassen.
«Wenn man 30 Jahre alt ist, muss man vorsichtig sein, was man tut und was man sagt, weil man noch viel Zeit vor sich hat. Wenn man älter ist, kann man die Dinge etwas leichter nehmen», erzählte Ecclestone. Seine Geschäfte lässt er keineswegs schleifen. «Bernie ist unglaublich auf Zack», lobte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff einmal die Cleverness des Formel-1-Chefvermarkters.
Ecclestones Premiumprodukt hat aber merkliche Schrammen abbekommen. Zwar wirft die Formel 1 immer noch üppige Rendite ab. Doch die Zuschauerzahlen sind zurückgegangen, einige Streckenbetreiber können sich die hohen Antrittsgagen nicht mehr leisten und die EU prüft seit längerem die Einhaltung des Wettbewerbsrechts. Liberty Media sieht in der Formel 1 nichtsdestotrotz enormes Renditepotenzial.
Als Strippenzieher machte sich Ecclestone über die Jahrzehnte praktisch unverzichtbar. Als Pilot scheiterte er früh. Die mangelnde Perspektive ließ Ecclestone schnell umschwenken. Er wurde Fahrer-Manager, musste dabei aber auch schwere emotionale Rückschläge hinnehmen. Stuart Lewis-Evans (1959) und Jochen Rindt (1970) verunglückten tödlich.
1971 gründete Ecclestone die FOCA, den Zusammenschluss aller Formel-1-Teams. Bis 1987 gehörte Ecclestone der Brabham-Rennstall. Da lenkte er aber längst schon die Rennserie selbst, getreu dem Motto «teile und herrsche». Als die Abspaltung der Hersteller drohte, band er Ferrari an sich und damit auch die Formel 1. Wie so oft ein cleverer Schachzug von Ecclestone. Sein Reich blieb erhalten.
Ecclestone kennt jedoch auch die geschäftlichen Schattenseiten. So sah er sich dem Vorwurf ausgesetzt, einen ehemaligen hochrangigen deutschen Banker beim Verkauf der Formel 1 2006 bestochen zu haben. «Der Richter hat einen ziemlich guten Job gemacht, dass ich soviel zahlen musste», meinte Ecclestone, als das Verfahren in München 2014 gegen eine Zahlung von 100 Millionen Dollar eingestellt wurde. «Bye, bye», rief Ecclestone auf den letzten Metern zu seiner Limousine. Von seinem Abschied aus der Formel 1 kann aber erstmal keine Rede sein.
(dpa)