Hamburg – Chaos an der Kreuzung: Ein Rettungswagen versucht, sich mit Blaulicht und Martinshorn seinen Weg zwischen den Autos hindurch zu bahnen. Das Problem: Einige fahren ein Stück nach rechts, andere nach links, und manche bewegen sich gar nicht.
«Leider ist so eine Situation kein Einzelfall. Bei 30 bis 40 Prozent aller Einsatzfahrten werden wir durch andere Verkehrsteilnehmer behindert», sagt Peter Sefrin von der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte (agbn). Insgesamt sei es in den vergangenen Jahren für Rettungsfahrzeuge deutlich schwieriger geworden, an einen Unfallort zu gelangen. Nach wie vor sei vielen nicht klar, wie sie sich verhalten sollen, wenn sich ein Einsatzfahrzeug nähere.
Das bestätigt auch René Schönhardt von der Polizei Hamburg: «Wir erleben im Einsatz alles, von absolut vorbildlichem Verhalten bis hin zu größtmöglicher Unsicherheit.» Dabei ist seit diesem Jahr klar geregelt, wie die Rettungsgasse gebildet werden muss: Unabhängig von der Anzahl der Spuren muss die ganz linke Spur nach links ausweichen und die anderen nach rechts. Allerdings gebe es häufig noch Probleme, weil die Fahrzeuge nicht mehr Platz machen könnten, wenn sich etwa auf der Autobahn der Stau schon gebildet hat.
Wie und wann Einsatzfahrzeugen Platz gemacht werden muss, ist in den Paragrafen 35 und 38 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt. Unterschieden wird hier zwischen Sonderrechten und dem Wegerecht.
«Unter Sonderrecht versteht man die vollständige oder teilweise Befreiung von den Vorschriften der StVO», erklärt Daniela Mielchen, Fachanwältin für Verkehrsrecht aus Hamburg. Hierzu gehöre das Überfahren roter Ampeln ebenso wie das Fahren im Gegenverkehr oder das Übertreten des Tempolimits. Sonderrechte seien zudem nicht an Blaulicht und Martinshorn gebunden und könnten nicht nur von Polizei, Krankenwagen oder Feuerwehr in Anspruch genommen werden, sondern zum Beispiel auch von Zivilfahndern oder dem Zoll, erklärt Mielchen.
Paragraf 38 regelt das Wegerecht. «Wenn sich beispielsweise ein Krankenwagen mit Blaulicht und Martinshorn nähert, nimmt er Wegerecht in Anspruch, und alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen sofort Platz machen», so Mielchen. Blaues Blinklicht allein hingegen gewähre keinen Vorrang, mahne aber zu erhöhter Vorsicht. Der Fahrer des Einsatzfahrzeugs muss sich daher an die StVO halten.
Dass gerade im innerstädtischen Bereich oft nicht schnell genug Platz gemacht wird, liegt nach Ansicht von Polizist Schönhardt auch daran, dass Autofahrer mitunter nicht die Gesamtsituation im Auge hätten und beispielsweise vor einer roten Ampel stehend nicht über die Haltelinie fahren würden. Doch selbst wer in so einem Fall geblitzt wird, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit einem Bußgeld rechnen. «Empfehlenswert ist es, sich dann Datum und Uhrzeit und Art des Einsatzfahrzeugs zu notieren, für das man Platz gemacht hat», sagt Sefrin. Komme dann ein Bußgeldbescheid ins Haus, könne der Autofahrer mit Hilfe dieser Angaben seinen Einspruch begründen.
Wer stehen bleibt und das Einsatzauto behindert, riskiere aber ein Bußgeld von 20 Euro. Gleiches gilt auch, wenn Autofahrer das Martinshorn aufgrund zu lauter Musik ignorieren. Nicht erlaubt ist, sich an ein Einsatzfahrzeug hinten «dranzuhängen» und sozusagen die Rettungsgasse für sich selbst auszunutzen.
Wird das Auto eines Politikers unter Blaulicht begleitet, genießt es kein Wegerecht und hat entsprechend auch keinen Vorrang. Das blaue Blinklicht dürfe in diesem Fall nur als Warnzeichen verwendet werden. Anders verhält es sich bei hochrangigen Staatsgästen, wenn die Polizei dem Tross mit Blaulicht und Martinshorn vorwegfahre. Dann könne sie Sonderrechte in Anspruch nehmen, erklärt Mielchen.
(dpa/tmn)