Autohersteller bieten immer mehr Individualisierung

Goodwood – Mr. Li hat gut lachen. Als einer der reichsten Männer in England kann er sich seinen eigenen Geschmack leisten. Und er hat die Mittel dazu, ihn auch umzusetzen.

Er hat sich gerade von Rolls-Royce einen Phantom zum Einzelstück umbauen lassen und besitzt jetzt mit dem angeblich über zehn Millionen Euro teuren «Sweptail» den vermutlich teuersten Neuwagen der Welt.

«Besondere Kunden verlangen nach besonderen Autos», rechtfertigt Designchef Giles Taylor den immensen Aufwand, der für Rolls-Royce aber eine gute Tradition sei. Denn erstens seien in den Gründertagen des Automobils alle Luxuslimousinen von sogenannten Coachbuildern individuell eingekleidet worden. Und zweitens gebe es keine andere Marke, die derart ausgeprägte Persönlichkeiten als Kunden habe wie Rolls-Royce.

Vielleicht hat Taylor damit sogar recht. Doch das Bedürfnis, sich selbst mit einem Massenprodukt aus der immer größeren und dichteren Masse abzuheben, haben nicht nur die Superreichen. In einer Zeit, in der man selbst seine Turnschuhe am Computer individualisieren kann und jeder sein Smartphone mit Hüllen und Hintergrundgrafiken selbst gestaltet, wollen die Kunden ihren Geschmack und ihre Persönlichkeit auch im Auto wiederfinden, sagt Renault-Designchef Laurens van den Acker – selbst, wenn sie nicht ganz so vermögend sind wie Mr. Li.

So gibt es nicht nur immer mehr Kombinationsmöglichkeiten für Farben, Zierteile und Dekorelemente bis hinunter zu Kleinwagen wie Renault Twingo oder Nissan Micra. Sondern auch diesseits von Rolls-Royce und Bentley, McLaren oder Maserati boomen die so genannten Bespoke- oder Individualisierungsabteilungen, in denen Heerscharen von Handwerkern den Kunden für hohe Aufpreise exklusive Extrawürste braten.

Diese Abteilungen gibt es zwar auch bei Mercedes, Audi, Porsche oder BMW schon lange. Doch ihr Arbeitspensum wird von Jahr zu Jahr größer. «Mittlerweile wird bei uns zum Beispiel beinahe jeder zweite Porsche 911 individualisiert», sagt Boris Apenbrink, der die gerade gründlich erweiterte Exclusive Manufaktur von Porsche leitet.

Darunter sind dann zwar auch ein paar Autos, mit denen die 180 Spezialisten 50, 60 Stunden zu tun haben und dann schnell mal sechsstellige Beträge auf die Rechnung schreiben. Doch oft reichen schon Kleinigkeiten für wenige hundert oder tausend Euro aus, um den Geschmack des Kunden noch besser zu treffen, so Apenbrink.

Wer nicht glaubt, dass sich solche Bedürfnisse über alle Segmente erstrecken, der fragt am besten jemanden wie Bodo Buschmann. Denn obwohl der Chef des Mercedes-Tuners Brabus vor allem für die dicken Dinger bekannt ist, stehen in seinen Hallen in Bottrop immer öfter auch Smarts. Als offizieller Daimler-Partner verantwortet er das Programm «Tailormade» und veredelt pro Jahr zahlreiche Cityflitzer so aufwendig, dass sich der Grundpreis mal eben verdoppelt, berichtet er zum 15. Geburtstag der Partnerschaft.

Und selbst eine Marke wie Skoda beugt sich dem individuellen Geschmack und bietet neben über 100 Kombinationen aus 15 Außenfarben und vier Lacken für Dach und Felgen die Option, ein individuelles Foto ins Armaturenbrett zu folieren.

Diese Idee ist Rolls-Royce-Designer Tyler für die Neuauflage des Phantom ebenfalls in den Sinn gekommen – nur ein bisschen vornehmer. Er nennt das Cockpit des Luxusliner jetzt die «Gallery» und meint das durchaus wörtlich. Der Hersteller hat eine Handvoll zeitgenössischer Künstler unter Vertrag genommen, die die Konsolen rund um die Instrumente tatsächlich individuell gestalten.

Bei der Individualisierung spielt den Herstellern unabhängig von Preis und Fahrzeugklasse auch der Fortschritt in der Fertigungstechnik in die Hände. Vor allem auf den 3D-Druck setzen sie dabei große Stücke.

So hat zum Beispiel Mini in einem ersten Testlauf 100 Autos einer Carsharing-Flotte mit Blinkergehäusen ausgerüstet, die jedes einen anderen Namen tragen und denkt nach Angaben des Unternehmens bereits darüber nach, solche Lösungen künftig auch den Kunden anzubieten. Nicht umsonst haben viele Leute einen Spitznamen für ihr Auto, den sie so auch sichtbar machen können.

Geht es nach Rolls-Royce-Designer Taylor, soll es dabei nicht bleiben. Er träumt schon von ganzen Karosserien aus dem 3D-Drucker und will langfristig wieder jedem Kunden seinen ganz eigenen Rolls-Royce anbieten. «Ganz so, wie es in der goldenen Ära des Coachbuildings einmal war.» Und mit ein bisschen Glück muss man dafür dann auch nicht mehr ganz so tief in die Tasche greifen wie Mr. Li.


(dpa/tmn)

(dpa)

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