Science Fiction als Innovationstreiber

Autoindustrie trifft Filmwelt: In wie weit Science Fiction als Innovationstreiber fungiert, erfuhren wir bei einer Podiumsdiskussion im Berlinale Open House. Unsere Fragen beantwortete Sebastian Schwartze, Exterieur Designer bei Audi. Welcher Science Fiction-Film vergangener Jahre hat aus Ihrer Sicht besonderen Vorgeschmack auf die Gegenwart beziehungsweise die damalige Zukunft geboten? Warum? Welche neuen Filme inspirieren Sie als Exterieur-Designer?
Bei alten Filmen ist es ganz klar „The Time Machine“ von 1960, weil in ihm neben der Zeitreise auch die damalige Gesellschaft thematisiert wird. Es ist eben mehr als ein Actionfilm, da er auch in großem Maße gesellschaftskritische und philosophische Themen behandelt. Grundsätzlich sind für mich alle Werke von Designern interessant, die sich mit formaler Ästhetik und mit deren Einfluss im Verlauf der Zeit beschäftigen Aktuell sind es Filme wie Elysium oder Star Trek. Letztere transportieren, genau wie wir bei Audi, eine Formensprache über die technischen Möglichkeiten mehrerer Generationen hinweg.

Selbstfahrende Autos gehören zum klassischen Science Fiction-Repertoire, und sind mit den Technikträgern Jack und Bobby oder der Funktion des automatischen Einparken auch längst kein wirres Hirngespinst mehr. Worauf dürfen wir uns noch freuen?
Sicherlich über einen Gewinn an Zeit und geringere Geschwindigkeit. Damit meine ich jedoch nicht den TopSpeed unserer Fahrzeuge, sondern die Geschwindigkeit unserer Leben: die Zeit, die man bisher am Steuer verbringen muss, ließe sich beim autonomen Fahren anders nutzen. Zudem stünde damit eine Abkehr vom bisher stark auf Funktion getrimmten Innenraum an, der bei einem selbstfahrenden Fahrzeug z.B. kein Lenkrad mehr benötigt. Vielleicht ergibt sich dadurch auch die Chance auf eine völlig neue Architektur.

Welche Errungenschaften aus Filmen haben Ihrer Meinung nach wiederum weniger Chance auf allgemeine oder überhaupt eine Verbreitung?
Fliegende Autos sind, meiner Meinung nach, auch auf längere Zeit eine Herausforderung, auch wenn sie eine tolle Phantasie sind, mit der sich viele Menschen beschäftigen. Zudem erfordern derartige Konzepte auch massive Änderungen in den Bereichen Architektur und Infrastruktur. Aber auch weit weniger futuristische Dinge aus Science Fiction, wie etwa Flügel- oder Scherentüren: Für Sportwagen-Kleinserien mögen sie akzeptabel sein, für den breiten Einsatz sind diese Konstruktionen jedoch zu komplex. Es geht auch darum, einfache und clevere Konzepte zu finden und umzusetzen.


Gibt es Beispiele, in denen Filme einem technischen Merkmal, etwa einem Assistenzsystem, Vorschub geleistet haben?
Da fällt mir direkt Knight Rider ein. Klar, die Story war eher flach, aber Michael Knight selbst und vor allem KITT verfügten über etliche Dinge, die heute fast alltäglich und verbreitet sind. Dazu gehören etwa die Apple Watch, Voice Control, Künstliche Intelligenz, das digitale Cockpit, Onboard-Kommunikation, autonomes Fahren und der Super Pursuit Mode…

Kürzlich brachte die Goodyear-Studie ‚ThinkGoodMobility‘ der britischen Wirtschaftsschule LSE zutage, dass Europäer und gerade Deutsche dem automatisierten Fahren nicht übermäßig wohlgesonnen seien. Ließe sich da gezielt cineastisch gegensteuern?
Das dürfte gerade in Bezug auf Deutschland kulturelle Gründe haben. Hier wurde das Auto erfunden, hier gibt es die weltberühmte Autobahn. Wenn diese kulturelle Trägheit überwunden ist, steigt automatisch auch die Akzeptanz. Und diesbezüglich ist eine cineastische Konditionierung durchaus denkbar. Wir sehen heute das autonome Fahren als den besonderen Zustand an. In Zukunft ist es vielleicht anders herum, so wie beim Fliegen.

Was läuft auf gestalterischer Ebene? Alles schon mal da gewesen, etwa im Space Age? Oder wäre erst ein Auto ohne Räder the next big thing? So eine Art Hover Car?
Das Space Age war geprägt durch den Wettlauf ins All und die dabei entstandenen Technologien und Fantasien. Heute haben wir den digitalen Wettlauf z.B. um das Thema künstliche Intelligenz und Robotik, aber auch um Nachhaltigkeit und Verantwortung. Diese Themen prägen die Gestaltung! Das Hover Car wird, wie gesagt, noch etwas warten müssen. Auch wenn es formal sehr spannend ist, weil die Skulptur eines Vehikels damit verständlicher wird. Renaud Marion und Sylvain Viau haben Bilder in diese Richtung vorgestellt.

Erlauben Sie uns abschließend einen Blick in Ihre persönliche Glaskugel. Was prophezeien Sie uns noch?
Ich habe leider keine Glaskugel – ich nutze einfach meine Sinne. Ich glaube aber an eine neue Art der Mobilität, die einfacher zugänglich und somit leichter erreichbar sein wird. Formal werden wir auf jeden Fall weiterhin zur Definition dessen beitragen, was morgen als modern und progressiv gilt.

Vielen Dank, Herr Schwartze! Wie bleiben gespannt!

Bilder: ©Arild Eichbaum

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