Stezzano – Normalerweise bummeln die Beamten von Polizei und Zoll allenfalls aus persönlicher Neugier über eine Messe. Doch im Herbst auf der Automechanika in Frankfurt hatten sie einen dienstlichen Auftrag. Sie machten Jagd auf gefälschte Ersatzteile.
Denn Fake-Ware gibt es nicht nur auf den Modemärkten in Fernost oder fliegenden Lederhändlern rund ums Mittelmeer. Längst haben Kriminelle auch Autoteile als lohnenden Geschäftszweig entdeckt und kopieren nahezu alle Komponenten, die im Ersatzteil- oder Zubehörgeschäft gehandelt werden, warnen Experten wie Hans-Georg Marmit von der Sachverständigenvereinigung KÜS. Durch die Fälschungen entstehen den Originalherstellern immense Schäden, die der europäische Dachverband der Automobil-Zuliefererindustrie CLEPA in Brüssel pro Jahr auf fünf bis zehn Milliarden Euro schätzt.
Aber vor allem riskieren die Käufer dabei Leib und Leben, weil die Fakes oft nicht die gleichen Eigenschaften haben wie das Original: Bremsscheiben oder Sättel können reißen, Dichtungen können platzen oder Chips schlicht die falschen Steuerbefehle liefern. Von den nötigen Prüfsiegeln ganz zu schweigen. «Was man nachmachen kann, das wird auch nachgemacht», ärgert sich Peter Wagner vom Zulieferer Continental. Er warnt davor, dass sich Produktpiraterie im so genannten Aftersales über nahezu alle Produktkategorien erstreckt. Besonders hoch im Kurs: sicherheitsrelevante Teile, die einem Verschleiß unterliegen und deshalb öfter ersetzt werden müssen. «Bremsenprodukte wie Bremsflüssigkeit, Bremsbeläge und Bremsscheiben sind deshalb gefährdeter als viele andere Warengruppen.»
Oft hilft schon der gesunde Menschenverstand, eine Fälschung zu entlarven, sagt Marco Moretti, der beim italienischen Bremsenhersteller Brembo das Aftermarket-Geschäft leitet. Werde Ware deutlich unter den üblichen Listenpreisen angeboten, sollte man zumindest skeptisch werden, warnt der Experte. Und wenn auch noch die Verpackung oder die passenden Dokumente fehlen, gilt: «Finger weg!».
Um auf Nummer sicher zu gehen, schützen die Hersteller sich und ihre Kunden mit aufwendiger Technik gegen die Produktpiraten. Sie leisten sich deshalb wie Brembo eigene Abteilungen mit Dutzenden von Mitarbeitern, die Internetshops, Messen und Märkte durchstöbern und die Fälscher den Behörden melden. So hat zum Beispiel Continental gerade in Mexiko und Marokko Betrüger vor Gericht gebracht. Und sie haben spezielle, schwer zu kopierende aber leicht zu überprüfende Etiketten und andere Siegel entwickelt. Bei Brembo sind auf der Verpackung Gesichter der eigenen Mitarbeiter abgebildet, sagt Moretti. Außerdem nutzen die Italiener einen individuellen QR-Code, der die Packung als Original ausweist. Er ist in das Siegel und das Etikett der Schachteln gedruckt, wo man auch ein fälschungssicheres Hologramm erkennen kann
Auch Continental nutzt solche Etiketten mit Holografie-Technik, sagt Wagner und erläutert noch einen zweiten Schutzmechanismus, den Hersteller wie Bosch, Continental/ATE, Federal-Mogul Motorparts, GKN, GS1, Mahle, MANN-FILTER, Motorservice, Schaeffler, TRW und WABCO sowie die Datenplattform TecAlliance gemeinsam propagieren: Sie haben die Brancheninitiative «Manufacturers against Product Piracy» (MAPP) ins Leben gerufen und versehen die Verpackungen jetzt mit einem so genannten DataMatrix-Code. Damit bekommt das gekennzeichnete Autoersatzteil eine weltweit einzigartige Identifikationsnummer, anhand derer sich die Produkte eindeutig identifizieren lassen, so die MAPP-Allianz auf ihrer Website: Diesen Code überprüft man auf einer speziellen Internetseite, auf der Homepage des Herstellers oder teilweise sogar mit einem App auf dem Smartphone direkt im Laden: «Dann sieht man sofort, ob es sich um eine Originalverpackung oder eine Fälschung handelt», sagt Wagner.
Experten wie Marmit räumen ein, dass manche Teile sehr teuer sind. Er rät Knausern aber, ihre Ersatzteile lieber direkt beim Zulieferer zu kaufen statt beim Fahrzeughersteller oder in der Werkstatt nach generalüberholten Austauschteilen zu fragen. Von dubiosen Quellen und windigen Lockangeboten rät er dringend ab – selbst wenn es keine sicherheitsrelevanten Teile sind: «Wenn es dumm läuft, passt das Bauteil nicht richtig, hält nicht lange oder ist schlicht und einfach gar nicht zulässig.» Billig kaufen heißt deshalb nicht selten doppelt kaufen. «Und wenn man dann auch noch die Rennerei und all den Ärger mit einrechnet, legt man am Ende wahrscheinlich sogar drauf.»
(dpa/tmn)