München/Losheim am See – Allradantrieb soll die Kraft des Motors besser auf den Untergrund übertragen. Dies gelte auf losem, wenig griffigem Untergrund im Gelände genauso wie auf Straßen, erklärt Arnulf Thiemel vom ADAC. Beim Anfahren könne der Allrad ein Durchdrehen der Räder verhindern.
Den Allradantrieb an sich gab es schon früh. Schon der Lohner-Porsche von 1900 wurde probeweise damit versehen. Der erste Jeep in den Vierzigern hatte einen zuschaltbaren Allradantrieb, auch der Land Rover oder später der Toyota Land Cruiser. Mit dem Sportcoupé Audi Quattro kam der permanente Vierradantrieb 1980 in der Großserie an. «Er musste nicht zugeschaltet werden wie bei den Jeeps dieser Welt», sagt Audi-Sprecher Josef Schloßmacher.
Beim Ur-Quattro musste der Fahrer noch Hand anlegen: Ein Kegelraddifferential sorgte für die gleichmäßige Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse. Der bekannten Tatsache, dass bei Kurvenfahrt nicht nur die Achsen, sondern auch kurveninnenliegende und kurvenaußenliegende Räder unterschiedlich schnell drehen, begegnete Audi mit einem weiteren Differential an der Hinterachse. Dieses glich die auftretenden Drehzahlunterschiede der beiden Hinterräder aus. War die Straße rutschig, konnte der Fahrer beide Differentiale per Hebel sperren, um die Traktion zu erhöhen.
«Heute passiert das Ganze voll elektronisch und sensorgesteuert», sagt Thomas Schuster von der Sachverständigenorganisation KÜS. Klassische Differentialsperren kämen im Pkw in der Regel nicht mehr zum Einsatz, dafür aber weit komplexere Technik. Laut Thiemel erkennt diese, ob einzelne Räder durchdrehen oder durchzudrehen drohen. Mittels Informationen aus Motor, Fahrwerk und Getriebe könne prognostiziert werden, ob und wann das Fahrzeug ausbricht: «Über Momentenregelung können Räder gezielt abgebremst und das Auto eingefangen werden.»
Im Vergleich mit dem Schleuderschutz ESP und dem Antrieb über nur eine Achse biete der Allradantrieb vor allem im Winter mehr Traktion. «Allradantrieb kann in schneereichen Gebieten interessant sein», so Thiemel. Auch wenn große Anhängelasten gezogen werden müssen, erleichtere er das Anfahren. Die heute verbauten Systeme sind laut ADAC der dauerhafte Allradantrieb, automatisch zuschaltende sowie der manuell zuschaltbare Allradantrieb, wie vor allem in klassischen Geländewagen vertreten.
Urgesteine wie der Land Rover, die Mercedes G-Klasse oder der Lada 4×4 verfügen noch über eine zuschaltbare Differentialsperre, die den Fahrzeugen laut Schuster eine immer noch gute Geländegängigkeit beschert.
Ganz unproblematisch ist der Allradantrieb aber nicht. Thiemel bestätigt, dass automatisch zu- und abschaltende Systeme Komfort, beste Traktion und einen geringeren Verbrauchsanstieg bedeuten. Vor allem Systeme mit automatischer Drehmomentverteilung auf alle vier Räder erzeugen besseren Grip in Kurven, «weil somit die stärker belasteten Räder mehr Drehmoment übertragen als kurveninnenseitig entlastete Räder». Doch prinzipiell bedeute Allrad immer einen Mehrverbrauch, höhere Kosten, höheres Gewicht und kompliziertere und damit anfälligere Technik. Und er kann den Fahrer in falscher Sicherheit wiegen: Denn beim Bremsen gebe es keinen Unterschied zu einachsig angetriebenen Autos, so Thiemel.
Und für den Offroad-Einsatz seien moderne Allrad-Pkw ohnehin kaum tauglich: Zu geringe Bodenfreiheit und ungeeignete, weil straßentaugliche Reifen setzten dem Vortrieb oft schon auf nassen Waldwegen ein Ende. «Da müssen dann echte Geländewagen ran.» Dass der Allradantrieb beim Pkw seit Jahren immer beliebter wird, hat allerdings auch einen anderen Grund, sagt Thiemel: Er verkaufe sich unter anderem so gut, weil er als «chic» gelte.
(dpa/tmn)