Hockenheim (dpa) – Nico Rosberg dankte auf dem Weg in den Flieger zu seiner Familie noch pflichtbewusst den deutschen Fans, glücklich sah er dabei noch immer nicht aus.
Im Kampf um seinen so ersehnten ersten WM-Titel im elften Formel-1-Jahr bleibt dem 31-Jährigen nichts anderes übrig, als sich selbst zu beschwören. «Nein», betonte Rosberg nach seinem Pleiten-Pech-und-Patzer-Heimrennen, es sei nicht schwerer an Tagen wie diesen, den Glauben an sich zu bewahren. «Weil ich genug Möglichkeiten habe, mir selbst zu zeigen, dass ich nach schwierigen Momenten immer am stärksten bin», sagte er.
Rosberg wirkte nach dem Doppelrückschlag von Ungarn (2. nach Pole) und Hockenheim (4. nach Pole) allerdings weiter schwer angeschlagen. Der schlechte Start – die Kupplung war nicht optimal eingestellt. Die Strafe für sein Überholmanöver – Rosberg konnte sie nicht nachvollziehen. Die defekte Stoppuhr beim Absitzen der Fünf-Sekunden-Strafe – letztlich nicht mehr entscheidend. All das war zuviel, Rosberg verpasste im zwölften Saisonrennen zum fünften Mal das Podest. «Nico macht ein weiteres Rennen voller Fehler», schrieb «Marca» in Spanien.
Seit vier Rennen wartet er auf einen Sieg. Zwei Jahre nach Rosbergs Erfolg auf dem Heimkurs durfte sich Hamilton von den Fans auf der Mercedes-Tribüne feiern lassen. Und der hochdekorierte Brite in Diensten des deutschen Werksteams genoss es, auch wenn er die Wende im Titelkampf selbst als verrückt bezeichnete. 62 Punkte holte Hamilton in sieben Rennen auf.
Vor dem Knall in Barcelona, als sich die beiden Silberpfeile gegenseitig ins Aus schossen, hatte Hamilton 43 Zähler Rückstand auf Rosberg. Jetzt hat Hamilton 19 Punkte mehr: «Ob ich das Gefühl habe, dass ich die Nase vorn habe: Jetzt noch nicht.» Für Spaniens «AS» steht nach dem Deutschland-Rennen indes fest: «Nichts und niemand kann es mit Lewis Hamilton aufnehmen.»
Er weiß, dass schon bald Strafen auf ihn zukommen, im Wagen des 49-maligen Grand-Prix-Siegers dürfte in den nächsten Rennen ein weiterer Motor fällig werden. Weil er dann die Mindestzahl überschreitet, droht ihm eine Zurückstufung in der Startaufstellung. Für Hamilton in der aktuellen Verfassung dürfte selbst dies aber eher Herausforderung denn Nachteil sein. «An einem guten Tag, denke ich, ist er unschlagbar», meinte Mercedes-Motorsportchef Toto.
Der so Hochgelobte gab sich aber erst gar keinem Übermut hin. «Ich halte mich nicht für unbezwingbar», meinte Hamilton. Unter größtem Druck scheint sich das «Mega-Naturtalent» (Rosberg) Hamilton aber erst richtig zu entfalten.
Zum Leidwesen seines einzigen verbliebenen deutschen Widersachers namens Rosberg. Die Hoffnungen von Sebastian Vettel, in diesem Jahr in den WM-Kampf einzugreifen, haben sich seit langem zerschlagen. Mittlerweile ist Red Bull an Ferrari auch de facto vorbeigezogen, Ferrari ist gerade mal die dritte Kraft.
Mehr als Durchhalten-Floskeln bleiben im Moment nicht. «Die erste Hälfte der Saison ist nicht so gelaufen, wie wir es uns vorgestellt haben, wir müssen an uns arbeiten», sagte Vettel – nicht ohne sich selbst zu hinterfragen: «Ich hatte zu viele Aufs und Abs, die mir Punkte gekostet haben. Aber wir kämpfen weiter.»
2016 ist aber schon ein verlorenes Jahr für Ferrari, Vettel wird von seiner Red-Bull-Vergangenheit eingeholt. Erstmals seit Abu Dhabi Ende der Saison 2014 steht das Privat-Team vor dem berühmten Rennstall aus Maranello.
Bleibt nur noch Rosberg, der diesen in sich gefestigten und scheinbar unerschütterlichen Hamilton aufhalten kann auf dessen Weg zum vierten WM-Titel und dem weiteren Vormarsch in den Bestenlisten der Formel 1. Vier Titel und mehr gelangen bisher nur Michael Schumacher (7), Juan-Manuel Fangio (5), Alain Prost und Vettel (je 4). Zwei Siege noch, und Hamilton zieht in der GP-Erfolgsstatistik bereits mit Prost (51) gleich. Nur Rekordweltmeister Michael Schumacher war erfolgreicher (91).
Zuerst Spa-Francorchamps am 28. August, eine Woche später beim Ferrari-Heimspiel in Monza kann Hamilton es rechnerisch schon schaffen. Bis dahin will auch er sich aber erstmal ein bisschen entspannen von der Formel-1-Hinrunde. «Ihr hättet da einiges zu schreiben», meinte der für seinen entspannten Jetset-Lifestyle bekannte Brite lachend zu seiner Feriengestaltung. Mehr verriet er nicht, bevor er sich im Gegensatz zu Rosberg bestens gelaunt verabschiedete.
(dpa)