Berlin – Einen neuen Land Rover gibt es nicht alle Tage. Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit, als die Briten auf der IAA im September 1989 das Tuch vom Discovery gezogen haben.
Schließlich lag die letzte Premiere da schon stolze 19 Jahre zurück. Damals hatten sie dem originalen Land Rover den ersten Range Rover zur Seite gestellt und so gleich zwei Extreme bedient. Denn während der schon damals vergleichsweise altmodische Land Rover vor allem als Arbeitstier und Abenteurer konzipiert war, hat der Range Rover den Geländewagen in den Adelsstand erhoben und sich als Luxuslimousine mit erweitertem Aktionsradius etabliert.
Schweizer Taschenmesser auf Rädern
Beide Autos haben zwar funktioniert und ihre jeweilige Zielgruppe erreicht. Doch dazwischen klaffte eine riesige Lücke, in der sich die Konkurrenz aus Asien und Amerika mit den ersten SUV breitgemacht hat. Um dort nicht ganz leer auszugehen, brachte Land Rover deshalb als dritte Baureihe den Discovery auf den Weg. Und weil der Druck groß war, hatten die Briten kräftig Gas gegeben: 1987 als «Projekt Jay» gestartet, stand Nummer drei nur zwei Jahre später auf der Messe und wenig später auf der Straße:
Herausgekommen ist dabei eine Art Schweizer Taschenmesser auf Rädern, sagt der Geländeinstruktor und Expeditionsleiter Dag Rogge. Der war mit dem Discovery schon so ziemlich überall auf der Welt unterwegs: Mit seinen zwei Sitzreihen plus den seitlichen Klappsitzen im Kofferraum sei er geräumig und flexibel. Mit den großen Fenstern und den Bullaugen im Dach sei er zudem übersichtlich und insgesamt ziemlich unverwüstlich. «So war der Discovery ein Auto, das auf einer Expedition genauso gut funktioniert hat wie beim Einkaufen.»
Mit dem «Disco» durch jedes Abenteuer
Anfangs war er nur als Dreitürer und erst ein Jahr später auch mit eigenem Zustieg zum Fond erhältlich. In der Grundversion rund 45 000 D-Mark teuer, wurde der 4,52 Meter lange Discovery zunächst mit einem Vierzylinder-Diesel von 2,5 Litern und mageren 83 kW/113 PS oder einem V8-Benziner mit 3,5 Litern Hubraum und 108 kW/147 PS angeboten.
Damit wühlt sich der «Disco» zwar noch heute durch jedes Abenteuer, ist aber auf dem Asphalt eher gemütlich unterwegs: Mehr als 164 km/h sind selbst mit dem V8 nicht zu schaffen. Allerdings sitzt man auch so hoch und lenkt so leicht, dass man kaum schneller fahren möchte und das «Disco»-Fever lieber mit einem langsamen Beat genießt.
Wie vielseitig der Discovery tatsächlich ist, hat er über die Jahre bei zahlreichen spektakulären Expeditionen und PR-Aktionen beweisen müssen, ist in der Werkschronik nachzulesen: Er hat den Dschungel am Amazonas durchquert, ebenso die Wildnis Madagaskars oder die sibirische Schneewüste. Er war das Wettbewerbsfahrzeug bei der Werberallye eines Zigarettenherstellers, hat als Zugmaschine einen 110 Tonnen schweren Roadtrain durch das australische Outback geschleppt und war als rollende Kommandozentrale für die Katastrophenhilfe des Roten Kreuzes im Einsatz.
Und als 2012 der einmillionste Discovery gebaut wurde, war das Jubiläumsmodell auf eigener Achse aus dem Werk im britischen Solihull entlang der alten Seidenstraße zur großen Party auf die Messe nach Peking gefahren – und hatte dabei natürlich vor allem Nebenstrecken benutzt. Selbst auf dem Wasser fühlt er sich zu Hause, wie ein zum Schwimmwagen umgebauter Discovery im Genfer See bewies.
Schneller Generationenwechsel
Während Defender und Range Rover wahre Dauerläufer sind, schlagen die Briten beim Discovery einen schnelleren Takt an und gehen flotter mit der Mode: Schon 1998 enthüllten sie die zweite Generation. Als Premiere in einem Segment, das damals noch keiner SUV nannte, kamen die ersten Airbags für Fahrer und Beifahrer. Und um den Kunden die Angst vor dem Abenteuer im Abseits zu nehmen, gab es zwei Jahre später erstmals eine elektrische Bergabfahrhilfe.
2004 zogen die Briten das Tuch von Nummer drei und machten einen ersten großen Schritt hin zum konventionellen Pkw. Das Design war zwar noch klassisch, aber die Konstruktion war komfortabel: Erstmals wurde der Discovery nicht mehr auf einem Leiterrahmen aufgebaut, sondern er bekam eine selbsttragende Karosserie. Und Elektronik konnte die Landpartie auch für Laien zum Kinderspiel machen, weil sie relevante Fahrzeugsysteme auf unterschiedliche Untergründe vorbereitete. Den 20. Geburtstag feierte die Baureihe mit dem Debüt der vierten Generation, und 2016 gab der Discovery Nummer fünf seinen Einstand und wechselte dabei auf eine selbsttragende Alu-Karosserie.
Der Kreis schließt sich auf der IAA 2019
Der Discovery hat sich zwar über die Generationen deutlich gewandelt und widmet sich jetzt eher dem Alltag als dem Abenteuer. So ist das aktuelle Modell zum Beispiel das erste und bislang einzige Auto, bei dem man die Sitze mit einer Smartphone-App umlegen kann. Doch die Gene des Grenzgängers hat er sich bewahrt – und gibt sie jetzt sogar an seinen Stammvater zurück. Denn die Briten präsentieren auf der IAA in Frankfurt, genau 30 Jahre nach dem Debüt des Discovery, auf seiner Basis einen neuen Defender – und schließen so den Kreis.
(dpa/tmn)