Monte Carlo – Monaco ist sein Revier. Hier ist Charles Leclerc geboren, hier ist er aufgewachsen, hier kennt er jeden Winkel.
Im Ort der Schönen und Reichen und derer, die sich dafür halten, ist er zum Formel-1-Piloten geworden, der am Sonntag (15.10 Uhr/Sky und RTL) beim Großen Preis in den engen Straßen von Monte Carlo Historisches schaffen könnte. Wahlmonegassen siegten schon oft beim Klassiker der Motorsport-Königsklasse seit 1950, ein echter Monegasse in den bisher 65 Auflagen noch nicht. «Mehr als nur ein Rennen», schrieb Ferrari via Twitter über ein Foto von Leclerc.
«Um ehrlich zu sein, gibt es berühmtere Fahrer als mich, die in Monaco leben», sagte Leclerc. «Aber klar, ich bin Monegasse, das ist schon ein bisschen was anderes.»
Das Konterfei des smarten und hochehrgeizigen 21-Jährigen ziert die Magazine in den Kiosken in Monte Carlo. Die Monaco-Ausgabe der Wirtschaftszeitschrift «Forbes» titelt: «Charles regiert.» Im offiziellen Trailer zum Rennen wird der Ferrari-Jungstar direkt nach der Formel-1-Ikone und Monaco-Rekordsieger Ayrton Senna gezeigt – auch kein Zufall.
Zerbrechen unter dem Druck, der jetzt schon auf dem Hoffnungsträger der Scuderia lastet, dürfte Leclerc kaum. Mehrfach schon betonte er, dass er seine frühere mentale Schwäche zu einer Stärke gemacht hat. Tragische Ereignisse in seinem noch jungen Leben haben dazu beigetragen, ihn im Schnellverfahren reifen zu lassen. 2014 verunglückte sein guter Freund Jules Bianchi in Japan und starb an den Folgen des Unfalls im Jahr darauf. 2017 starb Leclercs Vater.
Um seine kognitiven Fähigkeiten zu trainieren, arbeitet Charles Leclerc seit langer Zeit schon mit dem Formel-1-Arzt Riccardo Ceccarelli zusammen. «Man trainiert vor einem Computer und hat Sensoren auf dem Kopf, die dir sagen, was in deinem Kopf passiert», erklärte Leclerc einmal.
Alles für den Erfolg. Leclerc, derzeit WM-Fünfter und bisher in drei der fünf Saisonrennen eingebremst vom Ferrari-Team zum Wohle von Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel, will gewinnen, Rennen, die WM, den Klassiker vor der Haustür. Man wisse, wie viel Leclerc das Heimrennen bedeute, betonte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto.
Ein Ferrari ist es auch, der Leclerc einfällt, wenn er von seiner ersten Grand-Prix-Erfahrung in Monte Carlo erzählt. Der Ferrari von Michael Schumacher. Er sei so um die vier Jahre alt gewesen, schilderte Leclerc. «Das Bild bleibt für immer in meinem Kopf: Ich war im Appartement eines Freundes nach Kurve eins. Ich hab mit Autos gespielt und gleichzeitig den Grand Prix angeschaut. Die roten Autos hab ich dabei ein bisschen mehr verfolgt. Ich habe es damals einfach genossen und davon geträumt, eines Tages auch dort zu sein.»
Nun ist Charles Leclerc da. Sein Team schwächelt aber. Kollege Vettel musste auch vor dem Rennen der Rennen einräumen, dass der Ferrari einfach nicht schnell genug ist, um die Übermacht Mercedes mit Spitzenreiter Lewis Hamilton und dem WM-Zweiten Valtteri Bottas vorerst zu stoppen. Monaco sei aber immer auch «Roulette», meinte Vettel. Eine «Lotterie», betonte Leclerc – bei der 1931 Louis Chiron das große Los zog und gewann. Ein Monegasse. Die Zeit der offiziellen Formel-1-Weltmeisterschaften sollte aber erst 19 Jahre später beginnen.
Es ist nun also Leclercs große Chance. Selbstbewusst ist er, talentiert ist er. Siegreich ist er noch nicht in seinem allerdings auch erst zweiten Formel-1-Jahr. Auf der eigenen Homepage preist er sich als frühreifen «Champion mit einem atemberaubenden Talent». Ähnlich bescheiden geht die Aufzählung weiter. Nahezu unvergleichlich sei sein Weg zum GP3- und Formel-2-Meister gewesen, heißt es auf der offiziellen Homepage der Formel 1. «Er demonstrierte eine überwältigende Bandbreite an Fähigkeiten.» Bei seinem Heimrennen will Leclerc seine Qualitäten erst reicht zeigen.
(dpa)