Getunte E-Bikes machen zunehmend Radwege unsicher

Hannover – Die Bauteile sind klein und fallen oft kaum auf, die Wirkung aber ist beachtlich: Mit Bausätzen zum Tuning von E-Bikes kann das Limit von Tempo 25 für die Elektromotoren überwunden werden und die Räder gewinnen tüchtig an Schwung.

Unversichert und ohne Helm ist das flotte Fahren auf Radwegen so aber nicht mehr statthaft und Experten warnen vor Gefahren. Die wachsende Tuning-Community unter den 3,5 Millionen E-Bikefahrern in Deutschland muss bisher aber wenig befürchten. Die Polizei nämlich ist für das Erkennen getunter Bikes noch kaum gerüstet – es sei denn, die rasanten Radler düsen direkt vor dem Streifenwagen her.

«Ich halte das für unsere Infrastruktur für absolut gefährlich, so etwas zu tun», sagt die Geschäftsführerin der Landesverkehrswacht Niedersachsen, Cornelia Zieseniß. «Andere rechnen nicht damit, dass da jemand auf dem Radweg ankommt, der fast so schnell ist wie ein Auto.» Da es verlässliche Zahlen zu getunten E-Bikes und Pedelecs bislang nicht gibt, halten sich der ADAC und der Fahrrad-Club ADFC mit einer Bewertung des Phänomens noch zurück. «Wir halten E-Bikes schon ungetunt für relativ gefährlich», sagt die Sprecherin des ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt, Christine Rettig. Die meist ältere Zielgruppe sei auf den Rädern oft nicht sicher unterwegs.

«Der Punkt ist, dass das Tuning gewaltige Dunkelziffern hat und die Polizei das nicht erfasst», sagt Unfallforscher Siegfried Brockmann, der die Unfallforschung der Versicherer (UDV) in Berlin leitet. «Die Bausätze sind im Internet rege angefragt.» Wenn die Räder mit extra Schub unterwegs seien, drohten Kollisionen mit anderen Radfahrern und Fußgängern. Wenn der E-Biker dann nicht versichert sei, sei dies eine schlechte Nachricht für das Unfallopfer.

Zum Versand bereit liegen bei Onlinehändler Jens-Ulrich Müller in Hannover Tuning-Module, Chips und Aufsteckboxen – alles kleine Helfer, die das E-Bike schneller fahren lassen. «Die Kunden wollen das», sagt der Betreiber des E-Bike Tuning Shop, der fast alle der derzeit 24 Tuningprodukte führt und ins In- und Ausland verschickt. Dass die elektrische Unterstützung bei Tempo 25 gedrosselt wird, empfänden viele E-Bikebesitzer wie das Fahren gegen eine Gummiwand, etwas mehr Tempo reiche vielen schon. «Dass ist die E-Mobilität, die die Menschen wollen und die funktioniert.» Mehr Platz für E-Biker müsse es im Zuge einer Verkehrswende auf den Straßen geben, findet Müller.

Zu einem unkontrollierten Geschoss werde auch ein getuntes Rad kaum, gibt der Tuning-Experte zu bedenken. Ab Tempo 35 bis 45 bremsten Luft- und Rollwiderstand und die steigende Trittfrequenz den Schwung, der ohnehin nur zunimmt, wenn der Fahrer selber kräftig in die Pedale tritt. E-Bikes seien auch «Männerspielzeug», ein Tuning-Modul etwa erlaube nicht nur die Veränderung der Herstellereinstellungen, sondern es könnten auch Fahrtenbücher geführt und verbrauchte Kalorien registriert werden. Und manchen Leuten sei ihr E-Bike auch zu schnell und sie wollten die Elektrounterstützung auf Tempo 15 drosseln, beispielsweise auch zu Trainingszwecken.

Deutschlandweit sind derzeit rund 3,5 Millionen Elektro-Fahrräder unterwegs, sagt der Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV), Siegfried Neuberger. Wie viele davon frisiert seien, dazu gebe es keine Zahlen. Der Verband gehe aber von einem ernstzunehmenden Problem aus. «Wir beobachten das mit einer gewissen Sorge», sagt Neuberger. Die Manipulationen seien illegal, durch sie werde aus einem Fahrrad ein Kraftfahrzeug. Auch seien die Bremsen und Gabeln der Fahrräder nicht auf höhere Geschwindigkeiten ausgelegt.

In Baden-Württemberg wie andernorts auch wird über das technische Aufrüsten von E-Bikes bisher keine Statistik geführt. «Dem Innenministerium ist jedoch bekannt, dass insbesondere im Internet ‚Tuning-Kits‘ angeboten werden», sagt Behördensprecher Carsten Dehner. «Dabei gilt im Grundsatz: Der Verkauf solcher Kits ist legal, der Einbau und Betrieb im öffentlichen Verkehrsraum ist verboten.» Im Südwesten führe die Polizei deshalb stichprobenartig Kontrollen durch; dabei müsse die Leistungssteigerung des E-Bikes von einem Sachverständigen nachgewiesen werden.

Solche Experten gibt es auch beim Prüfkonzern Dekra. «In der Regel werden unsere Fachleute von den Behörden dann hinzugezogen, wenn es zu einem schweren Unfall gekommen ist», sagt ein Sprecher des Unternehmens. Der Auftrag an den Unfallanalytiker laute, die Unfallursache herauszufinden. «Bei der Unfallanalyse durch unsere Experten spielt dann auch eine Rolle, ob ein Pedelec manipuliert worden ist.»


(dpa)

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