Berlin (dpa-infocom) – London ohne Taxi ist wie Großbritannien ohne Queen: Das legendäre Black Cab gehört zum Straßenbild der britischen Hauptstadt. Wer aufmerksam ist, der registriert seit dem Jahreswechsel ein paar gravierende Veränderungen bei dem vermeintlichen Oldtimer.
Das Black Cab besitzt nun moderne LED-Scheinwerfer in seinem charmanten Rundgesicht. Anders ist auch der Antrieb, der neuerdings flüsterleise und blitzsauber ist. Denn weil den Stadtvätern von London die Luft zu dick wurde, summt unter der runden Haube nun ein Elektromotor. Nur so ist zwischen dem Flughafen Heathrow und der Tower Bridge seit dem 1. Januar 2018 keine Zulassung mehr für ein neues Taxi zu bekommen.
Ein Engländer mit chinesischen und schwedischen Wurzeln
Die Anforderungen gelten für alle Hersteller, doch die London Electric Vehicle Company ist die bislang einzige Firma, die das passende Auto hat. Sie gehört dem chinesischen PS-Riesen Geely. Der hat bei der Entwicklung des TX genannten Modells ins Regal der ebenfalls bei Geely angedockten Schwestermarke Volvo gegriffen.
So ist das erste dezidierte Elektro-Taxi mit einem Range Extender entstanden, das seit Ende letzten Jahres in London verkauft wird. Zwar kostet das Öko-Taxi nach Abzug der Förderung noch immer 55 599 Pfund und damit rund ein Viertel mehr als der TX4 mit Dieselmotor. Doch sollen die Fahrer bis zu 100 Pfund an Sprit pro Woche sparen.
Der Rolls-Royce des kleinen Mannes
Weil man hinter das Steuer eines Londoner Taxis nur nach einer mehrjährigen Ausbildung kommt, beginnt die Testfahrt mit dem Black Cab of Tomorrow erst einmal auf dem Rücksitz. Schon das ist ein Erlebnis. Denn wie sonst nur bei Rolls-Royce sind die Türen entgegen der Fahrtrichtung angeschlagen. Wegen des hohen Daches und des flachen Bodens kann man aufrecht einsteigen, und muss nicht wie bei den Taxen in Deutschland mühsam auf den Rücksitz rutschen.
Wenn man erst einmal Platz genommen hat, kann man bequem die Beine ausstrecken und sieht London aus einer neuen Perspektive – nicht umsonst hat das Taxi ein großes Panorama-Dach, mit dem etwa die Überquerung der Tower-Bridge zum Spektakel wird. Ach ja, wer lieber arbeiten will, der findet im gleißenden Licht der LED-Spots überall USB-Steckdosen und kann sich in ein kostenloses WLAN-Netz einklinken. Und weil dabei kein Diesel knurrt, wird auch die Konzentration nicht gestört. Zumindest, solange der Fahrer nicht durch die Sprechanlage quäkt.
Taxi-Fahrer auf Zeitreise
Während hinten zwei Passagiere bequemer lümmeln als in einem Phantom und zur Not sogar sechs Leute einsteigen können, wird der Fahrer vor der Trennscheibe in eine neue Welt katapultiert. Denn wo er sich bislang mit einem trägen Diesel abmühen musste, surrt er jetzt mit einem 110 kW starken Stromer davon.
Der wird zwar obenraus träge und ist bei 130 km/h abgeregelt. Doch erstens darf man in England ohnehin nirgends schneller als 115 km/h fahren, und zweitens fühlt sich das Taxi damit auf den ersten Metern fast so spritzig an wie ein Sportwagen. Das ist es doch, worauf es im Stadtverkehr ankommt.
Mit dem Range Extender durch den Tag
Dabei reichen die Batterien im Wagenboden für rund 130 Kilometer. In den meisten Fällen sollte das für eine Schicht genügen, glaubt der Hersteller. Doch weil es schließlich auch mal raus nach Heathrow geht und das Nachladen im schlimmsten Fall eine ganze Schicht dauert, gibt es wie sonst nur beim BMW i3 einen Range Extender.
Auf Knopfdruck oder wenn der Akku zur Neige geht, schaltet sich ein Dreizylinder-Benziner aus dem Volvo-Regal zu und treibt einen Generator an, der dann die Batterien speist. So kommt das Taxi auf weitere 500 Kilometer Reichweite und locker durch den Tag.
Autoscooter in der Rushhour
Dazu gibt es zum ersten Mal ein paar moderne Assistenzsysteme wie die automatische Notbremse mit Fußgänger-Erkennung und sogar eine Navigation, die ein selbstbewusster Taxifahrer natürlich gar nicht erst einschaltet.
Nur eines ist geblieben: Weil die Stadtväter für Taxen einen extrem kleinen Wendekreis vorschreiben, ist das knapp fünf Meter lange Auto handlicher als ein Smart und braucht keine 8,50 Meter für einen Kreis. So wird die Stadt zum Rummelplatz und der schwarze Riese zum Autoscooter in der Rushhour.
FAZIT: Ein Oldtimer auf Zeitreise
Von außen mag das neue Black Cab aussehen wie immer. Doch drinnen schickt einen der Oldtimer auf eine eindrucksvolle Zeitreise. Die Passagiere, weil sie komfortabler und leiser unterwegs sind und bessere Aussichten genießen. Den Fahrer, weil er entspannter ist und weniger Betriebskosten hat. Und für Stadt ist das Taxi ein Gewinn, weil es zumindest lokal weniger Emissionen hat. Kein Wunder also, dass die Briten das London Cab auch als Linkslenker anbieten und über den Kanal bringen wollen.
(dpa)