Austin – Gleich am Eingang des Formel-1-Fahrerlagers von Austin lädt ein elektrischer Bulle zum Rodeo. Der Cowboyspaß beim Drehkreuz ist ein weiterer Versuch der Vermarkter, die Grand-Prix-Welt mit amerikanischem Entertainment zu vereinen.
Seit der Komplett-Übernahme der Rennserie durch den US-Mediengiganten Liberty vor neun Monaten verbindet die Branche mehr denn je die Hoffnungen auf eine einträgliche Zukunft mit dem Geschäft im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. «Vor uns liegt ein enormer, unerschlossener Markt», sagt der neue Formel-1-Geschäftsführer Chase Carey.
Das inzwischen etablierte Rennen in Texas, das am Sonntag seine sechste Auflage erlebt, soll nicht mehr lange das einzige in den USA bleiben. Miami und New York werden immer wieder als mögliche Gastgeber genannt, auch Las Vegas reizt die neuen Bosse. «Wenn wir das Interesse der Fans an der Formel 1 in den USA steigern wollen, müssen wir ihnen mehr Gelegenheiten geben, sich dafür zu begeistern. Also wollen wir mehr Rennen in den USA», sagt Marketingchef Sean Bratches.
Von konkreten Verhandlungen oder interessierten Veranstaltern indes ist bislang nichts bekannt. «Alles, was sie tun, ist quatschen. Sie haben noch nichts geschafft. Sie hatten zum Beispiel gesagt, sie wollen sechs Rennen in Amerika», ätzte der im Januar von Liberty als Formel-1-Chef abgelöste Bernie Ecclestone in dieser Woche via «Daily Mail» über seine Nachfolger.
Carey indes nennt diese Kritik kurzsichtig. «Wir müssen einen langen Atem haben. Die USA wird in den nächsten zwei oder drei Jahren nicht unser Geschäft tragen, es geht eher um die Möglichkeiten in fünf Jahren und darüber hinaus», erklärt der Schnauzbartträger. Zunächst gelte es, auf dem enorm umkämpften US-Sportmarkt neben American Football, den NBA-Basketballern und Baseball, vor allem aber gegen die Motorsport-Konkurrenz Nascar und Indycar einen Platz zu erobern.
Frühere Rennen in Sebring, Watkins Glen, Long Beach, Riverside, Dallas, Detroit, Phoenix, Indianapolis oder auf einem Parkplatz in Las Vegas haben kaum Spuren hinterlassen. «Wir kratzen da erst an der Oberfläche. Wir haben gerade erst begonnen, das Potenzial dieses Sports hier zu entwickeln», sagt Carey. Die Erwartungen indes sind so steil wie die Rampe vor der ersten Kurve des Circuit of the Americas in Austin. «Der Markt ist groß, das Land ist riesig», sagt Guenther Steiner, Teamchef beim US-Rennstall Haas.
Auf dem Weg in die Herzen und Geldbeutel der amerikanischen Fans setzt die Führung der Königsklasse alles auf den Erlebnis-Faktor. «Auf eine gewisse Art ist die Formel 1 der ultimative Spektakel-Sport. Sie hat die Stars, den Glamour, den Mythos, verbunden mit der Urgewalt von Motorkraft und Geschwindigkeit», wirbt der frühere TV-Manager Carey für sein Produkt, das künftig auch beim Streamingdienst Netflix eine neue Zielgruppe erschließen soll. «Die Formel 1 ist wirklich wie für den US-Markt geschaffen, es wurde nur nichts dafür getan, das zu entwickeln», meint Carey.
Also drücken die neuen Rechteinhaber in Austin diesmal voll aufs Gas. Damit der Box-Ringsprecher Michael Buffer die 20 Fahrer am Sonntag vor dem Start (21.00 Uhr/RTL und Sky) mit reichlich Getöse vorstellen kann, werden sogar einmalig die ehernen Regeln geändert. Die Startprozedur beginnt 15 Minuten früher als eigentlich festgelegt. «Sie sind die Helden des Sports und werden als solche präsentiert», sagt Marketingmann Bratches.
Auch der Auftritt von Supersprinter Usain Bolt, der die Piloten auf die Einführungsrunde schickt, und die Konzerte der Megastars Justin Timberlake und Stevie Wonder am Streckenrand sollen den Erlebniswert des Grand Prix stärken. «Wir wollen, dass die Formel 1 die Grenzen zwischen Sport und Show überschreitet und so zum einzigartigen Event wird», sagt Bratches.
Weitere PR-Spektakel seien daher bereits geplant. «Wir wollen definitiv noch mehr unternehmen, aber im Moment will ich nicht sagen, was, wo und wann. Austin ist ein Test», sagt Bratches. Noch steckt das neue Formel-1-Management mitten in der Experimentierphase und genießt dabei das Wohlwollen der Rennställe. Deren Geduld aber ist begrenzt. Der amerikanische Traum der Formel 1 soll endlich in Erfüllung gehen.
(dpa)