1000 Meilen für die Ewigkeit: Mille Miglia im Mercedes 700

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Brescia (dpa/tmn) – Die Mille Miglia und Mercedes sind seit 1955 untrennbar miteinander verbunden. Damals gewann der britische Rennfahrer Stirling Moss die 1000 Meilen durch Italien im 300 SLR. Mit einem Schnitt von 157,62 km/h in 10,07 Stunden und 48 Sekunden hatte er sich einen Rekord gesichert.

Aber bei allem Respekt: Verglichen mit den Leistungen seiner Vorgänger war das nur eine Sonntagsfahrt. Diesen Eindruck kann gewinnen, wer das heute als Oldtimer-Rallye ausgetragene Rennen in einem Mercedes Typ SS von 1930 fährt.

Bei seinem Debüt 1928 galt der als Baureihe W 06 vorgestellte Sportwagen als topmodernes Auto. Es siegte in der für die Rundstrecke gekürzten Version SSK in Serie bei den Grand Prix jener Ära. Doch wer sich heute ans riesige Holzlenkrad des «Supersport» klemmt, fühlt sich in die automobile Steinzeit katapultiert.

Das beginnt beim komplexen Spiel mit Zündzeitpunkt und Standgas beim Anlassen des sieben Liter großen Reihensechszylinders. Es geht weiter beim Versuch, dem unsynchronisierten Getriebe mit der doppelten Betätigung der höllisch schweren Kupplung und ganz feinfühligem Zwischengas den richtigen der vier Gänge abzuringen. Es gipfelt darin, den Berg aus Stahl und Eisen mit vertauschten Gas- und Bremspedalen und einer Lenkung auf Kurs zu halten, die schwergängig ist wie bei einem historischen Traktor im knietiefen Matsch.

Erst recht, wenn sich nach dem Kraftakt eines Kickdowns mit dem infernalischen Surren der Kompressor zuschaltet, die Leistung von 125 KW/170 PS auf 165 kW/225 PS steigt und der Mercedes wie ein D-Zug Fahrt aufnimmt. Erst langsam und gemächlich, dann schnell und immer schneller. Verweichlicht von Automatikgetrieben, Servolenkung und Bremskraftverstärker haben moderne Autofahrer schon im ersten Etappenziel in Rimini Schwielen an den Fingern, Krämpfe in den Waden und ein Brennen im Bizeps.

Doch bei aller Konzentration, Anspannung und körperlichem Schmerz: Die 1000 Meilen bleiben für die Ewigkeit. Nicht nur weil mit jedem halbwegs geglückten Gangwechsel das Selbstbewusstsein Purzelbäume schlägt und einen jede halbwegs sauber gefahrene Kurve wieder fünf Zentimeter wachsen lässt. Sondern weil die vielen 1000 Zuschauer am Straßenrand einem tatsächlich das Gefühl geben, ein Held zu sein, der wirklich etwas geleistet hat. Der Applaus für Stirling Moss kann nicht größer gewesen sein als die Begeisterung, die den 450 Oldtimern in jedem noch so kleinen Ort entgegenschlägt. Leider lässt sich die Begeisterung nicht auf die vielen stationären Radarfallen übertragen.

Auf der Tour durch halb Italien verlangt die Listennummer 1230 aus dem Mercedes-Museumsfuhrpark neben etwa 900 Litern Sprit auch 24 Zündkerzen und eine Reihe nicht immer kleiner Reparaturen. Es braucht ein großes Team, das sich liebevoll um den Wagen kümmert. «Doch das war auch nicht viel anders, als dieser Oldtimer noch ein Neuwagen war», sagt Mercedes-Entwicklungsvorstand Thomas Weber. Der hat die Tour im kleinen, noch sportlicheren und noch berühmteren Bruder SSK absolviert. Wer sich damals ein Auto wie den SS leisten konnte, der hatte auch einen Wagenmeister, der sich um all solche Nebensächlichkeiten kümmerte. Der Sportwagen mit Preisen ab 31 000 Reichsmark für das nackte Fahrgestell und mindestens 42 000 Reichsmark für das zweisitzige Sportcabrio hat mehr gekostet, als einfache Arbeiter im ganzen Leben verdient haben.

Das ist eine Konstante, die bis heute gilt, sagt Michael Plag vom Mercedes Classic-Center in Fellbach, zu dessen Fahrzeugpool Nummer 1230 gehört: «Denn auch heute ist ein Auto wie der Mercedes SS quasi unbezahlbar.» Denn die verbliebenen der gut 100 von 1928 bis 1933 gebauten Exemplare werden so gut wie nie gehandelt. Und wenn doch, gehen die Preise weit ins Siebenstellige. Auch der SS mit dem Kennzeichen S-OV 12H ist für einen zweistelligen Millionenbetrag versichert. Vor dem Hintergrund geraten die paar Strafzettel zur Lappalie – und die 900 Liter Sprit zum Tropfen auf dem heißen Stein.







(dpa)